Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Jahren werde ich mit absoluter Sicherheit tot sein, Sassenach«, sagte er. Er lächelte schief. »Ob es Indianer sind, wilde Tiere, eine Seuche, die Galgenschlinge oder auch nur ein gesegnetes hohes Alter - ich werde tot sein.«
    »Ja.«
    »Und während du dort warst - in deiner eigenen Zeit -, da war ich tot, oder nicht?«
    Ich nickte wortlos. Selbst jetzt noch konnte ich hinter mir den Abgrund der Verzweiflung sehen, in den mich diese Trennung gestürzt hatte und aus dem ich mich unter großen Schmerzen herausgearbeitet hatte.

    Jetzt stand ich wieder mit ihm auf dem Gipfel des Lebens und wollte nicht an den Abstieg denken. Er bückte sich, pflückte einen Grashalm und breitete die weichen, grünen Grannen zwischen seinen Fingern aus.
    »›Der Mensch ist wie das Gras im Felde‹«, zitierte er leise und strich mit dem schlanken Stiel über meine Fingerknöchel, die an seiner Brust ruhten. »›Heute erblüht es; morgen welkt es dahin und wird in den Ofen geworfen‹.«
    Er hob das seidige, grüne Büschel an die Lippen und küßte es, dann berührte er sanft meinen Mund damit.
    »Ich war tot, Sassenach - und doch habe ich dich die ganze Zeit geliebt.«
    Ich schloß die Augen und fühlte, wie das Gras meine Lippen kitzelte, so sachte wie die Berührung von Sonne und Luft.
    »Ich liebe dich auch«, flüsterte ich. »Ich werde dich immer lieben.« Der Grashalm fiel zu Boden. Die Augen immer noch geschlossen, spürte ich, wie er sich zu mir herüberbeugte und sein Mund sich auf den meinen legte, warm wie die Sonne, leicht wie die Luft.
    »Solange mein Körper lebt und der deine - sind wir eins«, flüsterte er. Seine Finger strichen über meine Haare und mein Kinn, über Hals und Brust, und ich atmete seinen Atem und spürte ihn lebendig unter meiner Hand. Dann lag mein Kopf an seinen Schultern, seine Stärke schützte mich, und seine Worte klangen tief und sanft in seiner Brust.
    »Und wenn mein Körper aufhört zu sein, ist meine Seele immer noch dein, Claire - ich schwöre bei meiner Hoffnung auf den Himmel, wir werden nicht getrennt.«
    Der Wind bewegte die Blätter der Kastanien, und rings um uns stiegen die schweren Düfte später Sommerrosen auf; Kiefern und Gras und Erdbeeren, sonnengewärmter Stein und kühles Wasser, und der scharfe Geruch seines Körpers neben meinem.
    »Nichts geht verloren, Sassenach; es verändert sich nur.«
    »Das ist der erste Hauptsatz der Thermodynamik«, sagte ich und wischte mir die Nase.
    »Nein«, sagte er. »Das ist Zuversicht.«

SECHSTER TEIL
    Je t’aime

17
    Schöne Feiertage
    Inverness, Schottland, 23. Dezember 1969
    Er überprüfte zum dutzendstenmal den Zugfahrplan und strich dann im Wohnzimmer des Pfarrhauses herum, denn er war zu nervös zum Stillsitzen. Noch eine Stunde.
    Das Zimmer war halb zerlegt, und Kartons stapelten sich kunterbunt auf jeder Oberfläche. Er hatte versprochen, das Haus zum Neujahrstag geräumt zu haben, bis auf die Stücke, die Fiona behalten wollte.
    Er wanderte durch den Flur und in die Küche, stand einen Moment lang da und starrte in den uralten Kühlschrank, entschied, daß er keinen Hunger hatte und schloß die Tür.
    Er wünschte, Mrs. Graham und der Reverend hätten Brianna kennenlernen können und Brianna sie. Er lächelte beim Anblick des leeren Küchentisches und erinnerte sich an eine Unterhaltung, die er als Jugendlicher mit den beiden älteren Herrschaften geführt hatte, als er, erfüllt von rasender - und unerwiderter - Begierde nach der Tochter des Tabakhändlers, gefragt hatte, woran man erkannte, daß man wirklich verliebt war.
    »Wenn du dich fragen mußt, ob du verliebt bist, Junge - dann biste’s nicht«, hatte Mrs. Graham ihm versichert und nachdrücklich ihren Löffel auf dem Rand der Rührschüssel abgeklopft. »Und laß die Pfoten von der kleinen Mavis MacDowell, sonst bringt ihr Pa dich um.«
    »Wenn du verliebt bist, Rog, erkennst du es ohne Hilfe«, hatte der Reverend eingestimmt und dabei seinen Finger in den Kuchenteig getaucht. Er duckte sich in gespielter Angst, als Mrs. Graham drohend den Löffel hob, und lachte. »Und paß mit der kleinen Mavis auf, Junge; ich bin noch nicht alt genug, um Großvater zu werden.«
    Nun, sie hatten recht gehabt. Er hatte es ohne Hilfe erkannt - war sich sicher, seit er Brianna Randall zum ersten Mal begegnet war. Was er nicht genau wußte, war, ob Brianna das gleiche empfand.

    Er konnte nicht mehr warten. Er klopfte sich auf die Tasche, um sicherzugehen, daß er seine Schlüssel

Weitere Kostenlose Bücher