Der Ruf Der Trommel
Geillis Duncan.
Natürlich war sie gar keine Hexe, dafür aber etwas, was mindestens genau so gefährlich war. Er hatte ihre Augen - das sagte Claire jedenfalls. Hatte er noch mehr von ihr geerbt? War die furchterregende Fähigkeit, durch die Steine zu reisen, unauffällig über Generationen braver Schiffsbauer und Viehhüter hinweg vererbt worden?
Jedesmal, wenn er die Tafel sah, dachte er jetzt daran - und versuchte aus diesem Grund, nicht hinzusehen. Er verstand Briannas Gefühl des Hin- und Hergerissenseins; er wußte nur zu gut, wie nah Furcht und Neugier beieinanderlagen, wußte, wie das Bedürfnis nach Wissen mit der Furcht vor den Tatsachen rang.
Nun, er konnte Brianna helfen, es herauszufinden. Und was ihn selbst anging…
Roger ließ die Ahnentafel in einen Ordner gleiten und legte ihn in den Karton. Er schloß den Deckel des Kartons und klebte außerdem ein »X« aus Packband darüber.
»Das war’s dann also«, sagte er laut und verließ das leere Zimmer.
Völlig überrumpelt blieb er auf der oberen Treppenstufe stehen.
Brianna hatte gebadet, dem uralten Durchlauferhitzer mit dem angeschlagenen Email und der lärmenden Flamme getrotzt. Jetzt trat sie in den Flur und trug nur ein Handtuch.
Sie sah ihn nicht und wandte sich zum Gehen. Roger stand ganz still, lauschte dem Pochen seines Herzens und spürte seine Hand feucht auf dem Geländer.
Ihre Blöße war bedeckt; er hatte mehr von ihr gesehen, als sie im Sommer Trägerhemdchen und Shorts getragen hatte. Es war die Instabilität ihrer Körperbedeckung, die ihn erregte; das Wissen, daß er nur einmal schnell zu ziehen brauchte, um sie zu entkleiden. Das und das Wissen, daß sie ganz allein im Haus waren.
Dynamit.
Er ging einen Schritt auf sie zu und blieb stehen. Sie hatte ihn
gehört; sie blieb ebenfalls stehen, doch es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich umdrehte. Ihre Füße waren nackt, mit hohem Spann und langen Zehen; die schmalen Bögen ihrer feuchten Fußabdrücke zeichneten sich dunkel auf dem abgewetzten Läufer ab, der auf dem Boden des Flures lag.
Sie sagte nichts, sah ihn nur direkt an mit ihren dunklen, schrägen Augen. Sie stand im Gegenlicht des großen Fensters am Ende des Flures. Ihr eingemummter Körper zeichnete sich schwarz vor dem blaßgrauen Licht des Regentages ab.
Er wußte, wie sie sich anfühlen würde, wenn er sie anfaßte. Ihre Haut würde immer noch heiß sein vom Baden, feucht in der Leiste, in den Knie- und Ellbogenbeugen. Er konnte sie riechen, Shampoo vermischt mit Seife und Puder, der Geruch ihrer Haut von einem blumigen Hauch überdeckt.
Ihre Fußspuren verliefen vor ihm auf dem Läufer, eine zarte Kette von Schritten, die sie miteinander verband. Er streifte seine Sandalen ab und setzte seinen nackten Fuß auf einen der Abdrücke, die sie hinterlassen hatte. Er war kühl unter seiner Haut.
Auf ihren Schultern waren Wassertropfen, passend zu den Tröpfchen auf der Fensterscheibe hinter ihr, als sei sie dort hindurch aus dem Regen gekommen. Sie hob den Kopf, als er auf sie zuging, und schüttelte ihn, so daß das Handtuch, das sie darum gewickelt hatte, zu Boden fiel.
Die glänzenden Bronzeschlangen ihres Haares lösten sich und streiften seine Wange mit Feuchtigkeit. Nicht die Schönheit einer Gorgo, sondern die eines Wassergeistes, der sich von einem schlangenmähnigen Pferd in eine Zauberfrau verwandelte.
» Kelpie «, flüsterte er an der erröteten Rundung ihrer Wange. »Du siehst aus, als wärst du geradewegs einem Bach der Highlands entstiegen.« Sie legte ihm die Arme um den Hals und ließ das Handtuch los - nur der Druck ihrer Körper hielt es zwischen ihnen.
Ihr Rücken war entblößt. Bei dem kalten Luftzug vom Fenster sträubten sich ihm die Haare auf dem Unterarm, während gleichzeitig ihre Haut seine Handfläche wärmte. Er hätte am liebsten sogleich das Handtuch um sie gezogen, sie eingehüllt, sie vor der Kälte geschützt; gleichzeitig aber auch sich und sie entkleidet, sich ihre Hitze genommen und ihr die seine gegeben, gleich hier im feuchten, zugigen Flur.
»Dampf«, flüsterte er. »Himmel, du dampfst.«
Ihr Mund wölbte sich gegen den seinen.
»Da sind wir dann schon zu zweit, und du hast nicht mal gebadet.
Roger -« Ihre Hand lag in seinem Nacken, die Finger kühl. Sie machte den Mund auf, um noch etwas zu sagen, doch er küßte sie, spürte dabei, wie heiße Feuchtigkeit den Stoff seines Hemdes durchdrang.
Ihre Brüste preßten sich gegen ihn, und ihr Mund öffnete
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