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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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oben auf dem Flurboden, und einfach so aufzuhören gab ihm ein merkwürdiges Gefühl der Verwundbarkeit - er war kein ganzer Mensch mehr, sondern nur noch die Hälfte von etwas, das es noch nicht gab.
    Er goß die Reste der Suppe ins Spülbecken. Egal, sie würden essen gehen. Besser, aus dem Haus zu gehen, der Versuchung aus dem Weg zu gehen.
    Abendessen, eine beiläufige Unterhaltung und vielleicht ein Spaziergang am Fluß. Sie hatte die Christmette besuchen wollen. Danach…
    Danach würde er sie fragen, es offiziell machen. Sie würde ja sagen, das wußte er. Und dann…
    Tja, dann würden sie nach Hause gehen, in ein dunkles Haus, das nur für sie da war. In dem sie allein sein würden, in einer Nacht der Sakramente und der Geheimnisse, in der die Liebe neu in die Welt gekommen war. Und er würde sie in seine Arme nehmen und sie nach oben tragen, in einer Nacht, in der das Opfer der Jungfräulichkeit nicht den Verlust der Reinheit bedeutete, sondern die Geburt immerwährender Freude.
    Roger schaltete das Licht aus und ging aus der Küche. Hinter ihm brannte die vergessene Gasflamme blau und gelb in der Dunkelheit, glühend und beständig wie das Feuer der Liebe.

18
    Unziemliche Lust
    Reverend Wakefield war ein Mann der Offenheit und der Ökumene gewesen; er hatte religiöse Meinungen aller Schattierungen toleriert und war bereit gewesen, sich mit Lehren zu befassen, die seine Herde empörend, wenn nicht sogar schlichtweg gotteslästerlich gefunden hätte.
    Doch nachdem er im strengen Klima des schottischen Presbyterianismus und dem damit verbundenen Mißtrauen gegenüber allem »Papistischen« aufgewachsen war, verspürte Roger einen Hauch Beklommenheit, wenn er eine katholische Kirche betrat - als könnte er am Eingang ergriffen und von seltsam gekleideten Anhängern des Wahren Kreuzes zwangsgetauft werden.
    Doch es kam zu keinerlei derartigen Gewalttätigkeiten, als er Brianna in das kleine Steingebäude folgte. Am anderen Ende des Kirchenschiffes war ein Junge in einem langen, weißen Gewand zu sehen, doch er war friedlich damit beschäftigt, zwei Paar großer, weißer Kerzen anzuzünden, die den Altar schmückten. Ein unbekannter Duft hing schwach in der Luft. Roger atmete ihn ein, darum bemüht, es unauffällig zu tun. Weihrauch?
    Brianna blieb neben ihm stehen und kramte in ihrer Handtasche. Sie holte ein kleines, kreisförmiges Etwas aus schwarzer Spitze heraus und steckte es mit einer Haarnadel auf ihrem Kopf fest.
    »Was ist das?« fragte er.
    »Ich weiß nicht, wie man es nennt«, sagte sie. »Man trägt es in der Kirche, wenn man keinen Hut oder Schleier tragen will. Man muß es eigentlich nicht mehr tun, aber ich bin damit großgeworden - früher durften katholische Frauen nicht ohne Kopfbedeckung in die Kirche gehen, weißt du?«
    »Nein, wußte ich nicht«, sagte er interessiert. »Warum denn nicht?«
    »Hat wahrscheinlich mit Paulus zu tun«, sagte sie und zog einen Kamm aus der Handtasche, um sich die Haarspitzen zu glätten. »Er war der Meinung, Frauen sollten ihre Haare immer bedeckt halten,
um nicht zu Objekten unziemlicher Lust zu werden. Alter Miesepeter«, fügte sie hinzu und verstaute den Kamm wieder in ihrer Tasche. »Mama hat immer gesagt, er hatte Angst vor Frauen, hielt sie für gefährlich«, sagte sie mit einem breiten Grinsen.
    »Sind sie doch auch.« Impulsiv beugte er sich vor und küßte sie, ohne die Blicke der Leute zu beachten.
    Sie machte ein überraschtes Gesicht, verlagerte dann aber ihr Gewicht nach vorn auf die Zehen und küßte ihn schnell zurück. Roger hörte irgendwo neben sich ein gedämpftes, mißbilligendes »Mmpf«, doch er ignorierte es.
    »In der Kirche , und dann auch noch an Weihnachten!« kam ein heiseres Flüstern von hinten.
    »Na ja, es ist nicht wirklich die Kirche, Annie, es ist nur der Vorraum, aye?«
    »Und dann ist es auch noch der Pastorsjunge!«
    »Na, du kennst doch das Sprichwort von den Schusterjungen, die barfuß gehen. Ein Predigersohn auf Abwegen ist wohl das gleiche. Komm jetzt rein.«
    Unter sprödem Absatzgeklapper, das vom leiseren Geschlurfe eines Mannes begleitet wurde, entfernten sich die Stimmen in die Kirche. Brianna wich etwas zurück und sah zu ihm auf. Ihr Mund zitterte vor Lachen.
    »Bist du auf Abwegen?«
    Er lächelte zu ihr hinunter und berührte ihr leuchtendes Gesicht. Zur Feier des Weihnachtsfestes trug sie die Halskette ihrer Großmutter, und ihre Haut reflektierte den Glanz der Süßwasserperlen.
    »Wenn ich welche

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