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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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finde.«
    Bevor sie antworten konnte, wurden sie von einem Schwall nebliger Luft unterbrochen, als sich die Kirchentür öffnete.
    »Mr. Wakefield, sind Sie das?« Er drehte sich um und sah zwei Paar heller, neugieriger Augen zu ihm heraufstrahlen. Zwei ältere Frauen, jede ungefähr einsvierzig groß, standen Arm in Arm in ihren Wintermänteln da, und mit ihren grauen Haaren, die unter ihren kleinen Filzhüten hervorquollen, sahen sie aus wie ein Paar Türstopper.
    »Mrs. McMurdo, Mrs. Hayes! Fröhliche Weihnachten!« Er nickte ihnen zu und lächelte. Mrs. McMurdo wohnte zwei Häuser vom Pfarrhaus entfernt und ging jeden Sonntag mit ihrer Freundin, Mrs. Hayes zur Kirche. Roger kannte sie schon sein Leben lang.
    »Dann sind Sie also nach Rom übergelaufen, was, Mr. Wakefield?« fragte Chrissie McMurdo. Jessie Hayes kicherte über die Schlagfertigkeit
ihrer Freundin, und die roten Kirschen auf ihrem Hut hüpften auf und ab.
    »Vielleicht später einmal«, sagte Roger und lächelte immer noch. »Ich begleite nur eine Freundin in die Messe, aye? Sie kennen doch Miss Randall, oder?« Er stellte ihnen Brianna vor und grinste innerlich, als die beiden kleinen, alten Damen sie mit unverhohlener, lebhafter Neugier begutachteten.
    Für Mrs. McMurdo und Mrs. Hayes bedeutete seine Anwesenheit eine ebenso offene Erklärung seiner Absichten, als hätte er eine ganzseitige Anzeige in der Abendzeitung geschaltet. Zu schade, daß Brianna es nicht merkte.
    Oder? Sie sah ihn mit einem halbversteckten Lächeln an, und er spürte den Druck ihrer Finger auf seinem Arm, nur einen Moment lang.
    »Och, da kommt der Kleine mit dem Weihrauchfaß!« rief Mrs. Hayes aus, als sie einen weiteren weißgewandeten Jungen aus dem Allerheiligsten kommen sah. »Laß uns lieber schnell reingehen, Chrissie, sonst kriegen wir keinen Sitzplatz mehr!«
    »Was für eine Freude, Sie kennenzulernen, meine Liebe«, sagte Mrs. McMurdo zu Brianna und neigte dabei den Kopf so weit zurück, daß er abzufallen drohte. »Meine Güte, und wie groß sie ist!« Sie warf Roger einen zwinkernden Blick zu. »Was für ein Glück, daß Sie den passenden Kerl gefunden haben, was?«
    »Chrissie!«
    »Komme schon, Jessie, komme schon. Immer mit der Ruhe, wir haben Zeit.« Indem sie ihren Hut zurechtrückte, der mit einem kleinen Büschel Moorhuhnfedern verziert war, drehte sich Mrs. McMurdo seelenruhig um, um sich ihrer Freundin anzuschließen.
    Über ihnen begann erneut die Glocke zu läuten, und Roger ergriff Briannas Arm. Er sah, wie Jessie Hayes sich vor ihnen umsah. In ihren Augen leuchtete die Spekulation, und ihr wissendes Lächeln war verschmitzt.
    Brianna tauchte die Finger in ein kleines Steinbassin, das neben der Tür in die Wand eingelassen war, und bekreuzigte sich. Roger kam die Geste plötzlich merkwürdig vertraut vor, obwohl sie so »papistisch« war.
    Vor Jahren waren er und der Reverend auf einer Bergwanderung auf eine Heiligenquelle gestoßen, die in einem Hain versteckt lag. Eine Steinplatte stand am Rand der kleinen Quelle, die Überbleibsel des eingemeißelten Bildes darauf waren fast vollständig verwittert, kaum noch mehr als der Schatten eines menschlichen Körpers.

    Eine geheimnisvolle Stimmung hatte über der kleinen, dunklen Quelle gehangen. Er und der Reverend hatten eine Zeitlang schweigend dagestanden. Dann hatte sich der Reverend gebückt, eine Handvoll Wasser geschöpft und es in stummem Zeremoniell über den Fuß des Steines gegossen, eine weitere Handvoll geschöpft und es sich ins Gesicht gespritzt. Erst dann waren sie an der Quelle niedergekniet, um von dem kalten, frischen Wasser zu trinken.
    Über den gebeugten Rücken des Reverends hinweg hatte Roger Stoffstreifen gesehen, die über der Quelle an die Äste geknotet waren. Weihegaben, symbolische Bittgebete, hinterlassen von den Leuten, die dieses alte Heiligtum immer noch aufsuchten.
    Seit wie vielen tausend Jahren segneten sich die Menschen schon so mit Wasser, bevor sie sich aufmachten, ihr Glück zu suchen? Roger tauchte die Finger in das Wasser und berührte verlegen seinen Kopf und sein Herz, und vielleicht betete er sogar dabei.
    Sie fanden Sitzplätze im östlichen Querschiff, Schulter an Schulter mit einer Familie zusammengedrängt, die murmelnd damit beschäftigt war, ihre Habseligkeiten und schläfrigen Kinder zu verstauen und Mäntel, Handtaschen und Babyflaschen hin und her zu reichen, während eine kleine, heisere Orgel irgendwo unsichtbar »Zu Bethlehem geboren«

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