Der Ruf Der Trommel
hätte ich dir den billigen Fusel gegeben.«
Sie plumpste auf das Bett und ließ ihn ihre Schuhe und Strümpfe ausziehen. Sie drehte sich auf den Bauch und drückte Onkel Angus in ihre Armbeuge.
»Ich habe dir doch gesagt , daß ich keinen Tee mag«, murmelte sie, und Sekunden später war sie eingeschlafen.
Roger arbeitete ein oder zwei Stunden allein; er sortierte Bücher und schnürte Kartons zu. Es war ein stiller, dunkler Nachmittag, und das sanfte Prasseln des Regens und das gelegentliche Zischen der Autoreifen draußen auf der Straße waren die einzigen Geräusche. Als es dämmerte, knipste er die Lampen an und ging durch den Flur in die Küche, um sich den Staub von den Händen zu waschen.
Ein großer Topf milchiger Hühnersuppe blubberte hinten auf dem Herd vor sich hin. Was hatte Fiona darüber gesagt? Aufdrehen? Abdrehen? Irgend etwas hineinwerfen? Er blinzelte skeptisch in den Topf und beschloß, ihn einfach in Ruhe zu lassen.
Er räumte die Überreste ihrer improvisierten Teetafel auf - spülte die Tassen, trocknete sie ab und hängte sie sorgfältig an ihre Haken am Küchenbord. Sie waren die Überbleibsel des alten Services mit dem Weidenmuster, das der Reverend gehabt hatte, seit Roger denken konnte. Die blauweißen chinesischen Bäume und Pagoden wurden durch einzelne, unpassende Geschirrteile ergänzt, die von Wohltätigkeitsbasaren stammten.
Fiona würde natürlich alles neu kaufen. Sie hatte sie gezwungen, sich Zeitschriftenfotos von Porzellan und Gläsern und Geschirr anzusehen. Brianna hatte angemessene Bewunderungslaute von sich gegeben; Rogers Augen waren vor Langeweile glasig geworden. Er ging davon aus, daß die alten Sachen jetzt alle auf dem Basar landen würden - immerhin würden sie so noch jemandem nutzen.
Einer Eingebung folgend, nahm er die beiden Tassen, die er gespült hatte, wieder herunter, wickelte sie in ein sauberes Küchenhandtuch und trug sie ins Arbeitszimmer, wo er sie in den Karton steckte, den er für sich selbst beiseite gestellt hatte. Er kam sich zwar ziemlich närrisch vor, doch gleichzeitig ging es ihm etwas besser.
Er sah sich in dem hallenden Studierzimmer um, das jetzt völlig kahl war bis auf das einzelne Blatt Papier an der Korkwand.
Also verlierst du dein Zuhause für immer. Na ja, er war sowieso schon vor langer Zeit ausgezogen, oder?
Doch, es machte ihm etwas aus. Sogar viel mehr, als er sich Brianna gegenüber hatte anmerken lassen. Deshalb hatte er ja auch so verdammt lange gebraucht, um das Pfarrhaus zu räumen, wenn er ehrlich war. Sicher, es war ein monströses Unterfangen, sicher, er mußte auch noch seine Arbeit in Oxford tun, und sicher, die Tausende von Büchern hatten mit Sorgfalt aussortiert werden müssen - doch er hätte es schneller erledigen können. Wenn er gewollt hätte.
Hätte das Haus weiter leergestanden, wäre er vielleicht niemals fertig geworden. Doch da Fiona ihn antrieb und Brianna lockte… er lächelte bei dem Gedanken an die beiden: das kleine, dunkle, krausköpfige Vögelchen und die hünenhafte, flammenhaarige Wikingerin. Es sah so aus, als bräuchte es Frauen, damit Männer sich zu irgend etwas aufrafften.
Doch jetzt war es Zeit, zum Ende zu kommen.
Mit dem Gefühl, eine ernste Zeremonie durchzuführen, zog er die Nadeln aus den Ecken des vergilbten Blattes und nahm es von der Korktapete ab. Es war sein Stammbaum, eine Ahnentafel, die der Reverend in seiner ordentlichen, rundlichen Handschrift ausgeführt hatte.
MacKenzies über MacKenzies, ganze Generationen. Er hatte in letzter Zeit daran gedacht, den Namen wieder für immer anzunehmen, nicht nur für seine Auftritte. Schließlich hatte er jetzt, wo Papa tot war, nicht mehr vor, oft nach Inverness zurückzukommen, wo ihn die Leute als Wakefield kannten. Das war schließlich der Sinn der ganzen Ahnenkunde gewesen: daß Roger nicht vergaß, wer er war.
Papa hatte ein paar persönliche Geschichten gekannt, doch von
den meisten Menschen auf der Tafel kannte er nur den Namen. Und bei der wichtigsten Person nicht einmal den - bei der Frau, deren grüne Augen Roger jeden Morgen im Spiegel sah. Sie tauchte nirgendwo auf dieser Tafel auf, und das aus gutem Grund.
Rogers Finger kam fast ganz oben auf der Tafel zum Halten. Da war er, der Wechselbalg - William Buccleigh MacKenzie. In die Obhut von Pflegeeltern gegeben, der illegitime Nachwuchs des Kriegsoberhaupts des MacKenzie-Clans und einer Hexe, die zum Verbrennen verurteilt war. Von Dougal MacKenzie und der Hexe
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