Der Ruf Der Trommel
mehr einfach so loslassen. Ein alter Kelpie -Reim ging ihm durch den Kopf.
Guten Rutsch, Janetie
Und gute Reise, Davie.
Und ihr haltet nie,
Erst am Grund von Loch Cavie.
»Ich werde warten«, sagte er und ließ sie los. Er hielt sie bei den Händen und sah ihr in die Augen, die jetzt sanft und klar waren wie Quellwasser.
»Aber hör mir zu«, sagte er sanft. »Ich will dich ganz - oder gar nicht.«
Gib, daß ich sie richtig liebe , hatte sein wortloses Gebet gelautet. Und hatte Mrs. Graham ihm nicht oft genug gesagt: »Paß auf, worum du bittest, Junge, es könnte in Erfüllung gehen«?
Er umfaßte ihre Brust, die er weich durch ihren Pullover spürte.
»Ich will nicht nur deinen Körper - obwohl ich den weiß Gott will. Aber ich will dich entweder als meine Frau… oder gar nicht. Die Entscheidung liegt bei dir.«
Sie hob die Hand und berührte ihn, strich ihm das Haar aus der Stirn. Ihre Finger waren so kalt, daß sie brannten wie Trockeneis.
»Ich verstehe«, flüsterte sie.
Der Wind, der vom Fluß kam, war kalt, und er streckte die Hand aus, um den Reißverschluß ihrer Jacke hochzuziehen. Dabei streifte er seine eigene Tasche, und er spürte das kleine Paket darin. Er hatte es ihr beim Abendessen schenken wollen.
»Hier«, sagte er und gab es ihr. »Frohe Weihnachten.«
»Ich habe es letzten Sommer gekauft«, sagte er, während er zusah, wie ihre kalten Finger mit dem Papier kämpften, das mit Ilex bedruckt war. »Sieht jetzt so aus wie weise Voraussicht, oder?«
Sie hielt einen Ring aus Silber in der Hand, ein Armband, ein flaches Silberband, in das rundherum Worte eingraviert waren. Er nahm es ihr ab und ließ es über ihre Hand auf ihr Handgelenk gleiten. Sie drehte es langsam und las dabei die Worte.
» Je t’aime… un peu… beaucoup… passionnément… pas du tout. Ich liebe dich… ein bißchen… sehr… leidenschaftlich… überhaupt nicht.«
Er schob das Band noch eine Vierteldrehung weiter und schloß den Kreis.
» Je t’aime «, sagte er und ließ es mit einer Drehung seiner Finger um ihr Gelenk kreisen. Sie legte ihre Hand darauf und hielt es an.
» Moi aussi «, sagte sie leise und sah dabei nicht das Armband an, sondern ihn. » Joyeux Noël. «
SIEBTER TEIL
Auf dem Berg
19
Segne dieses Haus
September 1767
Unter Mond und Sternen in den Armen eines nackten Geliebten zu schlafen, zu zweit in Pelze und weiche Blätter gehüllt, eingelullt vom sanften Murmeln der Kastanien und dem entfernten Rauschen eines Wasserfalls, ist furchtbar romantisch. Durchweicht unter einem grob gezimmerten Verschlag zu schlafen, eingekeilt zwischen einem kräftigen, feuchten Ehemann und einem ebenso kräftigen, ebenso feuchten Neffen, während man dem Regen lauscht, der oben auf das Laubdach trommelt, und gleichzeitig die Annäherungsversuche eines immensen, gründlich durchnäßten Hundes abwehrt, irgendwie schon weniger.
»Luft«, sagte ich und kämpfte mich lahm in eine sitzende Position hoch, wobei ich mir zum hundertsten Male Rollos Schwanz aus dem Gesicht strich. »Ich bekomme keine Luft.« Der Geruch nach zusammengepferchten männlichen Tieren war überwältigend; ein schweißiger, ranziger Geruch, garniert mit dem Duft von feuchter Wolle und Fisch.
Ich rollte mich auf Hände und Knie und kroch nach draußen, wobei ich versuchte, niemanden zu treten. Jamie grunzte im Schlaf und machte den Verlust meiner Körperwärme wett, indem er sich sofort zu einer plaidumwickelten Kugel zusammenrollte. Ian und Rollo waren zu einer unentwirrbaren Masse aus Fell und Stoff zusammengewickelt, und wenn sie ausatmeten, wurden sie in der Kühle vor der Dämmerung von einem leichten Nebel umgeben.
Es war kühl draußen, doch die Luft war frisch; so frisch, daß ich beinahe hustete, als ich mir die Lungen vollsog. Es hatte aufgehört zu regnen, doch es tropfte noch von den Bäumen, und die Luft bestand zu gleichen Teilen aus Wasserdampf und reinem Sauerstoff, gewürzt mit den durchdringenden Gerüchen der Pflanzen auf dem Berghang.
Ich hatte in Jamies Ersatzhemd geschlafen und meine Lederhose in der Satteltasche verstaut, damit sie nicht naß wurde. Bis ich sie angezogen hatte, war ich mit Gänsehaut überzogen und zitterte am
ganzen Körper, doch das steife Leder wärmte sich genug auf, um sich innerhalb weniger Minuten an meinen Körper anzuschmiegen.
Barfuß und mit kalten Zehen ging ich vorsichtig zum Bach hinunter, um mich zu waschen, den Kessel unter dem Arm. Die Dämmerung war noch nicht
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