Der Ruf Der Trommel
mich nicht heiraten?«
Sie schüttelte den Kopf, weiß wie ein Laken. Irgend etwas zwischen Übelkeit und Wut regte sich in seinem Inneren und brach dann hervor.
»Du willst mich also nicht heiraten, aber du willst mit mir bumsen? Wie kannst du so etwas sagen?«
»Sprich nicht so vulgär mit mir!«
»Vulgär? Du kannst so etwas vorschlagen, aber ich darf es nicht beim Namen nennen? Ich bin noch nie so beleidigt worden, nie!«
Sie zitterte, und die Nässe klebte ihr Haarsträhnen ins Gesicht.
»Ich wollte dich nicht beleidigen. Ich habe gedacht, du wolltest - wolltest -«
Er packte ihre Arme und riß sie an sich.
»Wenn ich dich nur hätte bumsen wollen, hätte ich dich letzten Sommer ein dutzendmal flachlegen können.«
»Den Teufel hättest du!« Sie riß ihren Arm los und schlug ihn fest auf das Kinn. Er war überrascht.
Er grabschte nach ihrer Hand, zog sie an sich und küßte sie, sehr viel heftiger und sehr viel länger als jemals zuvor. Sie war groß und kräftig und wütend - doch er war größer, kräftiger und noch viel wütender. Sie trat um sich und wehrte sich, und er küßte sie, bis er zufrieden war und zum Aufhören bereit.
»O ja, das hätte ich«, sagte er und schnappte nach Luft, als er sie losließ. Er wischte sich über den Mund und trat zitternd zurück. An seiner Hand war Blut; sie hatte ihn gebissen, und er hatte nichts davon gemerkt.
Sie zitterte ebenfalls. Ihr Gesicht war weiß, die Lippen so fest zusammengepreßt, daß in ihrem Gesicht nur die dunklen, flammenden Augen zu sehen waren.
»Habe ich aber nicht«, sagte er und atmete langsamer. »Das war es nicht, was ich wollte, und ich will es auch jetzt nicht.« Er wischte sich die blutige Hand an seinem Hemd ab. »Aber wenn dir nicht genug an mir liegt, um mich zu heiraten, dann liegt mir auch nicht genug an dir, um mit dir ins Bett zu gehen!«
»Aber mir liegt etwas an dir.«
»Quatsch.«
»Mir liegt zu viel an dir, um dich zu heiraten, du verdammter Mistkerl.«
» Was ?«
»Denn wenn ich dich heirate - wenn ich irgend jemanden heirate - ist es für immer, verstehst du mich? Wenn ich so etwas verspreche, dann werde ich es auch halten, egal, was es mich kostet!«
Tränen liefen ihr über das Gesicht. Er kramte in seiner Jacke nach einem Taschentuch und gab es ihr.
»Putz dir die Nase, wisch dir das Gesicht ab und dann sag mir, wovon in Teufels Namen du eigentlich redest, aye?«
Sie tat, was er ihr sagte, und strich sich schluchzend das feuchte Haar aus dem Gesicht. Ihr alberner kleiner Schleier war heruntergerutscht; er hing nur noch an der Haarnadel. Er nahm ihn ab und zerknüllte ihn.
»Dein schottischer Akzent kommt durch, wenn du dich aufregst«, sagte sie und versuchte zaghaft zu lächeln, als sie ihm das zerknitterte Taschentuch zurückgab.
»Kein Wunder«, sagte Roger entnervt. »Jetzt sag mir, was du meinst, und sag es deutlich, sonst bringst du mich noch dazu, daß ich mit Gälisch anfange.«
»Du kannst Gälisch?« Allmählich erlangte sie ihre Selbstkontrolle wieder.
»Ja«, sagte er, »und wenn du nicht in kürzester Zeit einen ganzen Haufen Kraftausdrücke lernen willst… rede. Was denkst du dir dabei, mir ein solches Angebot zu machen - noch dazu, wo du ein gesittetes, katholisches Mädchen bist und gerade aus der Messe kommst! Ich habe gedacht, du bist eine Jungfrau.«
»Das bin ich auch! Was hat das denn damit zu tun?«
Bevor er diese empörende Bemerkung beantworten konnte, ließ sie ihr eine weitere folgen.
»Erzähl mir bloß nicht, daß du noch nichts mit anderen Mädchen gehabt hast, ich weiß es doch.«
»Aye, das stimmt! Die wollte ich aber nicht heiraten, und sie wollten mich nicht heiraten. Ich habe sie nicht geliebt, und sie haben mich nicht geliebt. Dich liebe ich aber, verdammt noch mal!«
Sie lehnte sich an den Laternenpfahl und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Ich glaube, ich liebe dich auch.«
Ihm war nicht klar gewesen, daß er den Atem anhielt, bis er ausatmete.
»Ach.« Das Wasser war in seinem Haar kondensiert, und eisige Rinnsale liefen ihm den Hals hinunter. »Mmpf. Aye, und ist ›glaube‹ hier das Wort, auf das es ankommt, oder ist es ›liebe‹?«
Sie entspannte sich etwas und schluckte.
»Beides.«
Sie hielt die Hand hoch, als er ansetzte zu sprechen.
»Ich liebe dich - glaube ich. Aber - aber ich muß immer daran denken, was meiner Mutter passiert ist. Ich will nicht, daß mir das gleiche passiert.«
»Deiner Mutter?« Auf schlichtes Erstaunen
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