Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
begleitet von Ians und Jamies Rufen und einem schrecklichen Schrei des Geistes. Hinter mir hörte ich französische Flüche, als Fergus, der auf den Kirchhof zurückrannte, im Dunkeln stolperte und über die Grabsteine stürzte.
    Jamie hatte die Fackel fallen lassen; sie flackerte und zischte auf der staubigen Straße und drohte zu verlöschen. Ich fiel auf die Knie, blies sie an und versuchte verzweifelt, sie am Brennen zu halten.
    Der Chor aus Rufen und Knurren schwoll zu einem Crescendo an. Ich stand auf, die Fackel in der Hand, und sah, wie Ian mit Rollo rang und versuchte, ihn von den verschwommenen Gestalten fernzuhalten, die in einer Staubwolke miteinander kämpften.
    »Arrêtes, espèce de cochon!« Fergus galoppierte aus der Dunkelheit hervor und schwang den Spaten, den er geholt hatte. Niemand beachtete seinen Befehl, also trat er einen Schritt vor und ließ den Spaten mit einem dumpfen Klong! auf den Kopf des Eindringlings niedersausen. Dann schwang er sich zu Ian und Rollo herum.
    »Sei du ebenfalls still!« sagte Fergus zu dem Hund und bedrohte ihn mit dem Spaten. »Halt sofort das Maul, du nichtsnutziges Vieh, sonst schlage ich dir den Schädel ein!«

    Rollo knurrte und entblößte dabei seine Zähne auf eindrucksvolle Weise, die »Na, dann komm doch!« zu sagen schien, doch Ian hinderte ihn daran, irgendwelchen Schaden anzurichten, indem er seinen Arm um den Hals des Hundes legte und alle weiteren Kommentare abwürgte.
    »Wo kommt der denn her?« fragte Ian erstaunt. Er reckte den Hals und versuchte, einen Blick auf die am Boden liegende Gestalt zu werfen, ohne Rollo loszulassen.
    »Aus der Hölle«, sagte Fergus kurz. »Und von mir aus kann er sofort dorthin zurückkehren.« Er zitterte vom Schock und vor Ermüdung. Das Licht auf seinem Haken glänzte dumpf, als er sich eine dichte schwarze Locke aus den Augen strich.
    »Nicht aus der Hölle, vom Galgen. Erkennst du ihn nicht?«
    Jamie kam langsam auf die Füße und klopfte sich den Staub von den Kniehosen. Er atmete schwer und war voller Schmutzflecken, schien aber unverletzt zu sein. Er hob sein Halstuch auf und sah sich um, während er sich das Gesicht abwischte. »Wo ist Duncan?«
    »Hier, Mac Dubh«, sagte eine rauhe Stimme von der Vorderseite des Wagens. »Den Pferden war Gavin von Anfang an nicht besonders geheuer, und sie haben sich ziemlich aufgeregt, als es plötzlich so aussah, als würde er auferstehen. Nicht«, fügte er fairerweise hinzu, »daß ich nicht auch’nen kleinen Schrecken gekriegt hätte.« Er beäugte die Gestalt auf dem Boden mißmutig und klopfte einem der scheuenden Pferde auf den Hals. »Ah, es ist doch nur irgendein Dummkopf, luaidh , Schluß jetzt mit dem Lärm, aye?«
    Ich hatte Ian die Fackel gegeben und kniete mich hin, um unseren Besucher zu inspizieren. Anscheinend hatte er weiter keinen Schaden genommen, denn der Mann begann schon, sich zu regen. Jamie hatte recht: Es war der Mann, der heute früh der Hinrichtung entkommen war. Er war jung, ungefähr dreißig, muskulös und kraftvoll gebaut, und sein helles, schweißnasses Haar stand vor Dreck. Er roch nach Gefängnis und dem muffig-scharfen Dunst fortgesetzter Angst. Kein Wunder.
    Ich nahm ihn beim Arm und half ihm, sich aufzusetzen. Er stöhnte, griff sich an den Kopf und blinzelte im Fackelschein.
    »Geht es Euch gut?« fragte ich.
    »Herzlichen Dank, Ma’am, mir ging’s schon mal besser.« Er hatte einen leichten, irischen Akzent und eine sanfte, tiefe Stimme.
    Rollos Oberlippe war gerade so weit hochgezogen, daß man einen angsteinflößenden Eckzahn sehen konnte, als er dem Fremden die Schnauze in die Achsel stieß, schnüffelte, den Kopf zurückriß und explosionsartig
nieste. Ein leises, zitterndes Lachen durchlief die Runde, und die Spannung ließ für einen Augenblick nach.
    »Seit wann seid Ihr schon im Wagen?« wollte Duncan wissen.
    »Seit heute mittag.« Schwankend von den Nachwirkungen des Hiebes, erhob sich der Mann umständlich auf die Knie. Er griff sich noch einmal an den Kopf und zuckte zusammen. »O Himmel! Ich bin da reingekrochen, gleich nachdem der Franzmann den alten Gavin aufgeladen hatte.«
    »Wo wart Ihr vorher?« fragte Ian.
    »Unter dem Galgenkarren. Das war die einzige Stelle, von der ich dachte, da würden sie nicht nachsehen.« Er stand mühsam auf, schloß die Augen, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen und öffnete sie wieder. Im Fackelschein waren sie blaßgrün, von der Farbe seichten Seewassers. Ich sah sie von einem

Weitere Kostenlose Bücher