Der Ruf Der Trommel
Gesicht zum nächsten blicken, dann blieben sie auf Jamie ruhen. Der Mann verbeugte sich, wobei er auf seinen Kopf achtgab.
»Stephen Bonnet. Euer Diener, Sir.« Er machte keine Anstalten, die Hand zur Begrüßung auszustrecken, und Jamie tat das auch nicht.
»Mr. Bonnet.« Jamie nickte mit betont ausdrucksloser Miene zurück. Mir war nicht ganz klar, wie er es fertigbrachte, ehrfurchtgebietend auszusehen, obwohl er nur eine feuchte, dreckverschmierte Kniehose anhatte, aber er schaffte es. Er betrachtete den Besucher von oben bis unten und ließ sich kein Detail seiner Erscheinung entgehen.
Bonnet war das, was man »gut gebaut« nennt, groß und kraftvoll mit gewölbtem Brustkorb und groben, aber auf eine rauhe Weise gutaussehenden Gesichtszügen. Er war ein paar Zentimeter kleiner als Jamie, stand lässig auf seinen Fußballen und hielt die Fäuste halb geballt in Bereitschaft.
Seiner leicht schiefen Nase und der kleinen Narbe an seinem Mundwinkel nach zu urteilen, waren ihm Faustkämpfe nicht neu. Die kleinen Schönheitsfehler beeinträchtigten den allgemeinen Eindruck rein körperlicher Anziehungskraft nicht; er war ein Mann, der auf Frauen wirkte. Auf manche Frauen, verbesserte ich mich, als er mir einen spekulativen Blick zuwarf.
»Weswegen seid Ihr verurteilt worden, Mr. Bonnet?« fragte Jamie. Er selbst stand entspannt da, doch es lag eine Wachsamkeit in seinem Blick, die Bonnets Ausdruck verteufelt ähnlich sah. Es war ein Blick von der Sorte, wie ihn sich männliche Hunde mit angelegten Ohren zuwerfen, bevor sie entscheiden, ob sie aufeinander losgehen.
»Schmuggel«, sagte Bonnet.
Jamie antwortete nicht, legte aber den Kopf schief. Eine Augenbraue hob sich fragend.
»Und Piraterie.« Neben Bonnets Mund zuckte ein Muskel - der gescheiterte Versuch eines Lächelns oder ein unwillkürliches Zittern der Angst?
»Und habt Ihr bei der Ausübung Eurer Verbrechen jemanden umgebracht, Mr. Bonnet?« Bis auf die wachsamen Augen war Jamies Gesicht ausdruckslos. Überleg es dir gut , sagte sein Blick ganz unverhüllt. Sehr gut .
»Niemanden, der nicht versucht hätte, mich zuerst umzubringen«, antwortete Bonnet. Die Worte kamen entspannt, sein Tonfall war fast respektlos, doch die Hand, die sich an seiner Seite fest zur Faust ballte, strafte ihn Lügen.
Es dämmerte mir, daß Bonnet sich fühlen mußte, als stünde er Richter und Geschworenen erneut gegenüber. Er konnte ja nicht wissen, daß es uns fast genauso widerstrebte wie ihm, den Garnisonssoldaten zu nahe zu kommen.
Jamie sah Bonnet lange an, nahm ihn im flackernden Licht der Fackel genau in Augenschein, nickte dann und trat einen halben Schritt zurück.
»Dann geht«, sagte er ruhig. »Wir werden Euch nicht aufhalten.«
Bonnet holte hörbar Luft. Ich sah, wie er sich entspannte und wie seine Schultern unter dem billigen Leinenhemd erschlafften.
»Danke«, sagte er. Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht und holte noch einmal tief Atem. Seine grünen Augen blickten von mir zu Fergus und weiter zu Duncan. »Aber könnt Ihr mir vielleicht helfen?«
Duncan, der sich bei Jamies Worten entspannt hatte, gab einen Laut der Überraschung von sich.
»Euch helfen? Einem Dieb?«
Bonnets Kopf fuhr zu Duncan herum. Das Halseisen lag wie ein dunkler Streifen um seine Kehle und erweckte den unheimlichen Eindruck, als wäre sein Kopf abgetrennt und schwebte mehrere Zentimeter über seinen Schultern.
»Helft mir«, wiederholte er. »Heute nacht werden Soldaten auf den Straßen sein - und Jagd auf mich machen.« Er deutete auf den Wagen. »Ihr könntet mich sicher an ihnen vorbeibringen - wenn Ihr so gütig wärt.« Er wandte sich wieder Jamie zu und straffte die Schultern. »Ich flehe Euch an, mir zu helfen, Sir, im Namen von Gavin Hayes, der mein Freund genau wie der Eure war - und ein Dieb wie ich.«
Die Männer musterten ihn einen Moment lang schweigend, während sie das verdauten. Fergus blickte Jamie fragend an; es war seine Entscheidung.
Doch nach einem langen, abschätzenden Blick auf Bonnet wandte sich Jamie an Duncan.
»Was meinst du, Duncan?« Duncan betrachtete Bonnet mit demselben Gesichtsausdruck wie zuvor Jamie und nickte schließlich.
»Um Gavins willen,« sagte er und wandte sich zum Friedhofstor um.
»Nun denn, in Ordnung«, sagte Jamie. Er seufzte und schob sich eine lose Haarsträhne hinter sein Ohr.
»Helft uns, Gavin zu begraben«, sagte er zu unserem Gast, »und dann brechen wir auf.«
Eine Stunde später war Gavins
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