Der Ruf Der Trommel
beäugte Jamie Nacognaweto mit einer Mischung aus Belustigung und Verärgerung.
»So so, kein Franz’ wie?« sagte er. »Nicht ein Wort, nehme ich an!« Der Indianer sah ihn mit völlig ausdruckslosem Gesicht an und nickte seiner Frau zu, damit sie mit der Vorstellung fortfahre.
Die ältere Frau hieß Nayawenne und war nicht Gabrielles Großmutter, wie ich gedacht hatte, sondern Nacognawetos. Sie war von leichtem Knochenbau, dünn und von Rheumatismus gebeugt, doch sie hatte glänzende Augen wie die Spatzen, denen sie so ähnlich sah. Um den Hals trug sie einen kleinen Lederbeutel, der mit einem ungeschliffenen, durchbohrten grünen Stein und den gefleckten Schwanzfedern eines Spechtes geschmückt war. Ein größerer Beutel, diesmal aus Stoff, hing an ihrer Taille. Sie sah, wie mein Blick auf die grünen Flecken auf dem groben Tuch fiel und lächelte, wobei sie zwei vorstehende, gelbe Vorderzähne entblößte.
Wie ich vermutet hatte, war das Mädchen Gabrielles Tochter - nicht aber, so glaubte ich, Nacognawetos; sie hatte keine Ähnlichkeit mit ihm, und verhielt sich ihm gegenüber schüchtern. Ihr etwas unpassender Name war Berthe, und man sah ihr noch viel deutlicher als ihrer Mutter an, daß sie ein Mischling war: Ihr Haar war dunkel und seidig, jedoch dunkelbraun anstatt ebenholzschwarz, und ihr rundes Gesicht hatte die frische Gesichtsfarbe einer Europäerin, obwohl ihre Augen die indianische Mandelform aufwiesen.
Als die offizielle Vorstellung vorbei war, winkte Nacognaweto Berthe zu, die gehorsam das große Bündel hervorholte, das sie getragen
hatte, es zu meinen Füßen absetzte und einen großen Korb voll orange-grün gestreifter Kürbisse, auf einer Schnur aufgezogene getrocknete Fische, einen kleineren Korb mit Yamswurzeln und einen Berg geschälter und getrockneter Maiskolben zum Vorschein brachte.
»Mein Gott«, murmelte ich. »Die Rückkehr des Squanto!«
Alle sahen mich verständnislos an, und ich beeilte mich zu lächeln und in - völlig ernstgemeinte Freudenrufe über die Geschenke auszubrechen. Es war vielleicht nicht genug, um uns den ganzen Winter über zu ernähren, doch würde es unseren Speiseplan gut zwei Monate lang bereichern.
Nacognaweto erklärte durch Gabrielle, daß dies ein kleiner und bedeutungsloser Dank für den Bären sei, den Jamie ihm geschenkt hatte, was man in seinem Dorf mit Entzücken aufgenommen habe. Jamies mutige Heldentat (hier sahen die Frauen mich an und kicherten, denn sie alle hatten offenbar von der Episode mit dem Fisch gehört) sei der Gegenstand vieler Gespräche und großer Bewunderung gewesen.
Jamie, für den diese Art diplomatischer Wortwechsel etwas völlig Normales war, leugnete bescheiden jeden Heroismus und tat die Begegnung als puren Zufall ab.
Während Gabrielle mit der Übersetzung beschäftig war, ignorierte die Alte die gegenseitigen Komplimente und stahl sich seitwärts wie ein Krebs zu mir herüber. Ohne mir das geringste Gefühl eines Affronts zu geben, klopfte sie mich vertraulich von Kopf bis Fuß ab, befühlte meine Kleider, hob den Saum meines Kleides hoch, um meine Schuhe zu begutachten, und murmelte mit leiser, heiserer Stimme einen fortlaufenden Kommentar vor sich hin.
Das Murmeln wurde lauter und nahm einen erstaunten Tonfall an, als sie bei meinem Haar anlangte. Ihr zu Gefallen fischte ich die Haarnadeln heraus und ließ es mir über die Schultern fallen. Sie zog eine Locke heraus, zog sie stramm, ließ sie dann zurückfedern und lachte gurgelnd.
Die Männer blickten in unsere Richtung, doch inzwischen war Jamie dazu übergegangen, Nacognaweto die Konstruktion unseres Hauses zu zeigen. Der Schornstein war fertig, wie das Fundament aus Feldsteinen gebaut, und der Fußboden war gelegt, doch die Wände, gebaut aus soliden, abgevierten Baumstämmen von etwa zwanzig Zentimetern Durchmesser, erhoben sich erst schulterhoch. Jamie drängte Ian, das Entrinden eines Baumstammes zu demonstrieren, wobei er sich beständig nach hinten vorarbeitete, immer an der Oberseite eines Stammes entlang, und bei jedem Hieb gerade eben seine Zehen verfehlte.
Da diese Form männlicher Konversation keiner Übersetzung bedurfte, stand es Gabrielle frei, zu uns zu kommen und sich mit mir zu unterhalten; obwohl ihr Französisch merkwürdig akzentuiert und voll seltsamer Redewendungen war, hatten wir keine Schwierigkeiten, einander zu verstehen.
Binnen kurzem fand ich heraus, daß Gabrielle die Tochter eines französischen Pelzhändlers und einer
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