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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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er sich auf der Ladefläche hoch und stützte sich hinter dem Sitz auf sein gesundes Knie. Sein Unterkörper war in der Dunkelheit nicht zu erkennen, doch ich konnte sein Blut riechen, ein schärferer Geruch als der leichte, immer noch wahrnehmbare Geruch von Gavins Leichentuch.
    »Ein Vorschlag, Mr. Fraser. Noch drei Meilen, dann erreichen wir die Straße zur Fähre. Eine Meile hinter der Kreuzung führt noch eine Straße zur Küste. Kaum mehr als eine Räderspur, aber befahrbar. Sie führt zum Ufer eines Flüßchens, das in die See mündet. Einige meiner Partner werden im Lauf der Woche dort vor Anker gehen. Wenn Ihr mir ein paar Vorräte überlassen würdet, könnte ich einigermaßen sicher auf sie warten, und Ihr könntet weiterfahren, ohne daß meine Gesellschaft Euch die Luft verpestet.«
    »Partner? Ihr meint Piraten?« Ians Stimme war voller Mißtrauen. Seit er von Piraten aus Schottland entführt worden war, betrachtete er diese Leute nicht mehr mit demselben romantischen Blick wie andere Fünfzehnjährige.
    »Das kommt auf den Blickwinkel an, Junge.« Bonnet hörte sich belustigt an. »Die Gouverneure von Carolina würden sie sicher so nennen, aber die Kaufleute von Wilmington und Charleston sehen das möglicherweise anders.«
    Jamie schnaubte. »Schmuggler, aye? Und womit handeln Eure sogenannten Partner?«
    »Mit allem, was so viel Geld bringt, daß sich der Transport lohnt.« Die Belustigung war nicht aus Bonnets Stimme gewichen, hatte jetzt aber eine zynische Färbung angenommen. »Wollt Ihr eine Belohnung für Eure Hilfe? Das läßt sich arrangieren.«
    »Nein.« Jamies Stimme war kalt. »Ich habe Euch um Gavins und um meinetwillen gerettet. Dafür würde ich niemals eine Belohnung wollen.«
    »Ich wollte Euch nicht beleidigen, Sir.« Bonnet neigte leicht den Kopf.
    »Schon gut«, sagte Jamie kurz angebunden. Er schüttelte die Zügel aus und nahm sie wieder auf, diesmal mit der anderen Hand.
    Die Unterhaltung erstarb nach diesem kurzen Wortwechsel, obwohl
Bonnet weiter hinter uns kniete und über meine Schulter hinweg auf die dunkle Straße blickte. Doch es tauchten keine Soldaten mehr auf; nichts rührte sich, nicht einmal ein Luftzug in den Blättern. Nichts unterbrach die Stille der Sommernacht außer dem gelegentlichen Schrei eines vorbeifliegenden Nachtvogels oder dem Heulen einer Eule.
    Das sanfte, rhythmische Hufgetrappel und das Quietschen und Rattern des Wagens begann, mich in den Schlaf zu lullen. Ich versuchte, mich aufrecht zu halten, beobachtete die schwarzen Schatten der Bäume links und rechts der Straße, doch langsam, aber sicher kippte ich zu Jamie hinüber, und all meinen Bemühungen zum Trotz fielen mir die Augen zu.
    Jamie nahm die Zügel in die linke Hand, legte den rechten Arm um mich und zog mich an sich, so daß ich mich an seine Schulter lehnen konnte. Wie immer fühlte ich mich geborgen, sobald ich ihn berührte. Ich erschlaffte, die Wange gegen den staubigen Sergestoff seines Rokkes gepreßt, und verfiel sofort in jenes unangenehme Dösen, das sich einstellt, wenn man völlig erschöpft ist und sich nicht hinlegen kann.
    Einmal öffnete ich die Augen und sah Duncan Innes’ lange, magere Gestalt mit dem unermüdlichen Schritt des Hochlandbewohners neben dem Wagen herlaufen, den Kopf wie in Gedanken gebeugt. Dann schloß ich sie wieder und verfiel in einen Halbschlaf, in dem sich Bilder des vergangenen Tages mit Traumfragmenten vermischten. Ich träumte von einem gigantischen Stinktier, das unter einem Kneipentisch schlief und dann aufwachte, um in den Refrain der Nationalhymne einzustimmen, dann von einer hin und her schwingenden Leiche, die ihren herunterbaumelnden Kopf hob und mich mit leeren Augenhöhlen angrinste… Ich erwachte und stellte fest, daß Jamie mich sanft schüttelte.
    »Am besten kriechst du nach hinten und legst dich hin, Sassenach«, sagte er. »Du brabbelst im Schlaf. Nachher fällst du mir noch auf die Straße.«
    Verschlafen stimmte ich zu, kroch umständlich über die Lehne der Sitzbank und tauschte den Platz mit Bonnet. Ian schlief auf der Ladefläche, und ich legte mich neben ihn.
    Im Laderaum roch es muffig - und schlimmer. Ians Kopf ruhte auf einem Stück grob zerlegtem Wildbret, das in die ungegerbte Haut des Tieres gewickelt war. Rollo hatte es besser getroffen - seine haarige Schnauze ruhte bequem auf Ians Bauch. Ich wählte den ledernen Salzbeutel. Das glatte Leder lag hart, aber geruchlos unter meiner Wange.
    Man konnte die rumpelnden

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