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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ließ den Strang auf meinem Schoß liegen und schloß für einen Augenblick die Augen. Ich hätte mich am liebsten ausgezogen und mit kaltem Wasser abgewaschen, um dann nackt zwischen die sauberen Leintücher meines Bettes zu schlüpfen, still dazuliegen und mir die frische Luft vom Fenster her über das Gesicht wehen zu lassen, während ich dem Vergessen entgegentrieb.
    Doch in einem meiner Betten lag ein schwitzender Engländer und ein verdreckter Hund in dem anderen, ganz zu schweigen von einem Teenager, der offensichtlich eine harte Nacht vor sich hatte. Die Laken waren seit Tagen nicht gewaschen worden, und es würde eine Mordsarbeit sein, sie zu kochen, aus dem Wasser zu heben und auszuwringen. Heute nacht würde ein Matratzenlager aus einer zusammengelegten Bettdecke mein Bett sein - vorausgesetzt ich kam dazu, darin zu schlafen - und mein Kissen ein Sack gekrempelte Wolle. Ich würde die ganze Nacht Schaf einatmen.
    Krankenpflege ist harte Arbeit, und ganz plötzlich war ich sie entsetzlich leid. Einen Augenblick immenser Sehnsucht lang wünschte ich mir, sie würden alle verschwinden. Ich öffnete die Augen und sah Lord John grollend an. Mein kleiner Anfall von Selbstmitleid verebbte jedoch bei seinem Anblick. Er lag auf dem Rücken, einen Arm hinter dem Kopf, und starrte trübsinnig an die Decke. Vielleicht spiegelte mir das Feuer es nur vor, doch sein Gesicht schien von Sorge und Trauer gezeichnet zu sein, die Augen überschattet von dunklem Verlust.
    Auf einmal schämte ich mich meiner Griesgrämigkeit. Es stimmte, ich hatte ihn hier nicht gewollt. Es ärgerte mich, daß er sich in mein Leben gedrängt hatte und mir durch seine Krankheit die Bürde der Verpflichtung auferlegt hatte. In seiner Gegenwart fühlte ich mich beklommen
- von Williams ganz zu schweigen. Doch sie würden bald wieder gehen. Jamie würde nach Hause kommen, Ian würde genesen, und ich würde meinen Frieden, mein Glück und meine sauberen Laken wiederhaben. Was ihm zugestoßen war, war von Dauer.
    John Grey hatte seine Frau verloren - ganz egal, wie er zu ihr gestanden hatte. Es hatte ihn in mehr als nur einer Hinsicht Mut gekostet, William hierherzubringen und ihn mit Jamie fortgehen zu lassen. Und ich nahm nicht an, daß er etwas dafür konnte, daß er sich die Masern geholt hatte.
    Ich legte die Wolle für den Augenblick beiseite und stand auf, um den Wasserkessel aufzusetzen. Eine gute Tasse Tee war wohl jetzt das beste. Als ich mich vor der Feuerstelle aufrichtete, sah ich, wie Lord John den Kopf wandte. Durch meine Bewegung riß ich ihn aus seinen Grübeleien.
    »Tee?« sagte ich, zu verlegen, um ihm nach meinen unfreundlichen Gedanken in die Augen zu sehen. Ich deutete mit einer kleinen, fragenden Geste auf den Kessel.
    Er lächelte schwach und nickte.
    »Ich danke Euch, Mrs. Fraser.«
    Ich nahm die Teedose aus dem Schrank, stellte zwei Tassen und Löffel zurecht und fügte nachträglich das Zuckerschüsselchen hinzu; keine Melasse heute abend.
    Als ich den Tee fertig aufgegossen hatte, setzte ich mich neben das Bett, um ihn zu trinken. Wir nippten ein paar Augenblicke lang schweigend vor uns hin, und eine seltsame Atmosphäre der Schüchternheit hing zwischen uns.
    Schließlich stellte ich meine Tasse ab und räusperte mich.
    »Tut mir leid; ich hatte vorgehabt, Euch mein Beileid zum Verlust Eurer Frau auszusprechen«, sagte ich sehr förmlich.
    Im ersten Moment machte er ein überraschtes Gesicht und neigte dann ebenso förmlich als Antwort den Kopf.
    »Was für ein Zufall, daß Ihr das gerade jetzt sagt«, sagte er. »Ich hatte eben an sie gedacht.«
    Während ich daran gewöhnt war, daß andere Leute einen Blick auf mein Gesicht warfen und augenblicklich erkennen konnten, was ich gerade dachte, war es seltsam befriedigend, dasselbe mit jemand anderem tun zu können.
    »Vermißt Ihr sie sehr - Eure Frau?« Ich stellte diese Frage nur zögernd, doch er schien sie nicht aufdringlich zu finden. Ich konnte mir beinahe vorstellen, daß er sich dasselbe auch gefragt hatte, denn er antwortete zwar nachdenklich, aber bereitwillig.

    »Ich weiß es nicht genau«, sagte er. Er sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. »Klingt das herzlos?«
    »Das kann ich nicht sagen«, sagte ich ein wenig schnippisch. »Ihr müßt doch selber besser wissen als ich, ob Ihr ihr gegenüber Gefühle empfunden habt oder nicht.«
    »Ja, das habe ich.« Er ließ seinen Kopf zurück auf das Kissen fallen, und sein dichtes, helles Haar lag ihm lose um die

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