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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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etwas war wohl hinreichend formlos, um mein Unvermögen zu tarnen.
    Jamie war schockiert und belustigt gewesen, als er herausgefunden hatte, daß ich nicht stricken konnte. Die Frage hatte sich in Lallybroch nie gestellt, weil dort Jenny und die Dienstmädchen Stricksachen für alle herstellten. Ich hatte Aufgaben in der Kräuterkammer und im Garten übernommen und war über die einfachsten Flickarbeiten hinaus niemals mit Handarbeiten in Berührung gekommen.
    »Du kannst überhaupt nicht stricken?« sagte er ungläubig. »Und wie bist du dann in Boston zu deinen Winterstrümpfen gekommen?«
    »Gekauft«, sagte ich.
    Er hatte sich ausgiebig auf der Lichtung umgesehen, auf der wir gesessen und das halbfertige Blockhaus bewundert hatten.
    »Da ich hier nirgendwo einen Laden sehe, lernst du es wohl besser, aye?«
    »Wahrscheinlich.« Ich beäugte mißtrauisch den Strickkorb, den Jocasta mir geschenkt hatte. Er war gut ausgestattet, mit drei langen Rundstricknadeln aus Draht in verschiedenen Größen und einem gefährlich aussehenden Nadelspiel aus Elfenbein, die Nadeln schlank wie Stilette, von dem ich wußte, daß es auf irgendeine geheimnisvolle Weise dazu diente, Sockenfersen zu wenden.

    »Ich bitte Jocasta, es mir zu zeigen, wenn wir das nächste Mal nach River Run kommen. Vielleicht nächstes Jahr.«
    Jamie schnaubte kurz und nahm sich eine Nadel und ein Wollknäuel.
    »Es ist wirklich nicht schwierig, Sassenach. Sieh mal - so schlägt man Maschen auf.« Er zog den Faden aus seiner geschlossenen Faust hervor, legte ihn in einer Schlaufe um seinen Daumen, ließ diese auf die Nadel gleiten und schlug mit raschen, sparsamen Bewegungen in Sekundenschnelle eine lange Maschenreihe auf. Dann gab er mir die andere Nadel und ein Wollknäuel. »Da - versuch’s mal.«
    Ich sah ihn völlig erstaunt an.
    »Du kannst stricken?«
    »Natürlich kann ich das«, sagte er und starrte mich verwundert an. »Ich kann mit den Nadeln klappern, seit ich sieben war. Bringt man den Kindern in deiner Zeit denn gar nichts bei?«
    »Hm«, sagte ich und kam mir etwas idiotisch vor, »manchmal lernen kleine Mädchen Handarbeiten, aber keine Jungen.«
    »Du hast es nicht gelernt, oder? Außerdem ist es keine komplizierte Handarbeit, Sassenach, es ist einfach nur Stricken. Hier, nimm deinen Daumen und greif so in die Schlaufe…«
    Und so hatten er und Ian - der, wie sich herausstellte, ebenfalls stricken konnte und vor Lachen über meine Ignoranz am Boden lag - mir die einfachen Grundlagen des Rechts- und Linksstrickens beigebracht und mir zwischen abfälligen Äußerungen über meine Bemühungen erklärt, daß in den Highlands alle Jungen stricken lernten, da es eine nützliche Beschäftigung beim Schafe- oder Rinderhüten auf der Weide war.
    »Wenn ein Mann erst einmal erwachsen ist und eine Frau hat, die es für ihn tut und einen Jungen, der seine Schafe hütet, dann macht er vielleicht seine Strümpfe nicht mehr selbst«, hatte Ian gesagt und geschickt eine Ferse gewendet, bevor er mir den Strumpf zurückgab, »aber sogar die kleinen Jungs können es, Tante Claire.«
    Ich warf einen Blick auf mein gegenwärtiges Projekt, etwa dreißig Zentimeter eines wollenen Schultertuches, das in einem kleinen Haufen auf dem Boden des Korbes lag. Ich hatte die Grundlagen gelernt, doch Stricken war für mich immer noch ein regelrechter Kampf mit verknotetem Garn und schlüpfrigen Nadeln, nicht der beruhigende, verträumte Zeitvertreib, den sich Ian und Jamie daraus machten, wenn am Feuer die Nadeln in ihren großen Händen vor sich hin klapperten, beruhigend wie der Gesang der Grillen an der Feuerstelle.

    Heute nacht nicht, dachte ich. Mir war nicht danach. Etwas Geistloses, zum Beispiel Wollknäuel aufwickeln. Das konnte ich tun. Ich legte ein Paar halbfertige Socken zur Seite, die Jamie gerade für sich strickte - gestreift, der Angeber -,und zog einen schweren Strang frisch gefärbter, blauer Wolle hervor, der immer noch die schweren Düfte des Färbens verströmte.
    Eigentlich mochte ich den Geruch frischen Garns, den leicht öligen Hauch von Schaf, den erdigen Indigogeruch und das scharfe Aroma des Essigs, mit dem die Farbe fixiert wurde. Heute nacht kam er mir erdrückend vor, zusätzlich zu dem Holzrauch und Kerzenwachs, zu den aufdringlichen, beißenden Ausdünstungen der Männerkörper und dem Krankheitsgeruch - zusammengesetzt aus durchgeschwitzten Laken und benutzten Nachttöpfen -,die alle in der verbrauchten Luft des Zimmers hingen.
    Ich

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