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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Möglichkeit, es zu beschreiben. »Kennt Ihr Euch mit Maultieren aus?«
    Seine hellen Augenbrauen hoben sich, und er lächelte.
    »Ein bißchen, ja.«
    »Also, Gerhard Mueller ist wie ein Maultier. Er ist nicht grundsätz lich böswillig, und man kann ihn auch nicht als dumm bezeichnen - aber er hat nicht besonders viel Aufmerksamkeit für die Dinge übrig, die sich außerhalb seines Kopfes abspielen, und man kann ihn nur mit viel Kraft dazu bewegen, sie auf irgend etwas anderes zu richten.«
    Ich war bei der Auseinandersetzung in der Mühle nicht dabeigewesen, doch Ian hatte sie mir beschrieben. Der Alte hatte es sich fest in den Kopf gesetzt, daß Felicia Woolam, eine der drei Töchter des Mühlenbesitzers, ihn beim Wiegen übervorteilt hatte und ihm noch einen Sack Mehl schuldete.
    Felicia hatte vergebens eingewandt, daß er ihr fünf Säcke Weizen
gebracht hatte; sie hatte sie gemahlen und vier Säcke mit dem resultierenden Mehl gefüllt. Sie hatte darauf beharrt, daß die von den Körnern getrennte Spreu und die Hülsen den Unterschied ausmachten. Fünf Säcke Weizen ergaben vier Säcke Mehl.
    »Fünf!« hatte Mueller gesagt. »Es gibt fünf!« Er war nicht vom Gegenteil zu überzeugen und begann, kräftig auf Deutsch zu fluchen, wobei er das Mädchen wütend anstarrte und sie in eine Ecke drängte.
    Ian, der erfolglos versucht hatte, die Aufmerksamkeit des alten Mannes auf sich zu ziehen, war nach draußen gesaust, um Jamie zu holen, der sich gerade mit Mr. Woolam unterhielt. Die beiden Männer waren in die Mühle geeilt, hatten aber nicht mehr Erfolg als Ian dabei, Mueller von der Überzeugung abzubringen, daß man ihn betrogen hatte.
    Er hatte ihre Ermahnungen ignoriert und sich Felicia in der klaren Absicht genähert, sich mit Gewalt einen weiteren Mehlsack von dem Haufen hinter ihr zu nehmen.
    »An dieser Stelle gab Jamie es auf, mit ihm zu argumentieren, und hat ihn geschlagen«, sagte ich.
    Er hatte anfangs gezögert, es zu tun, da Mueller fast siebzig ist, hatte aber seine Meinung rapide geändert als sein erster Schlag von Muellers Kinn abprallte, als bestünde es aus gut abgelagertem Eichenholz.
    Der alte Mann war auf ihn losgegangen wie ein in die Enge getriebener Keiler, worauf Jamie ihn so fest wie möglich erst in den Magen und dann auf den Mund geboxt hatte. Damit hatte er Mueller niedergeschlagen und sich die Fingerknöchel an den Zähnen des alten Mannes aufgerissen.
    Mit einer an Woolam gerichteten Bemerkung - der Quäker war und daher Gewalt ablehnte - hatte er Mueller dann an den Beinen gepackt und den benommenen Bauern nach draußen gezerrt, wo einer von Muellers Söhnen geduldig im Wagen wartete. Jamie hatte den alten Mann am Kragen hochgehievt, ihn gegen den Wagen gedrückt und ihn dort festgehalten. Er hatte freundlich auf deutsch auf ihn eingeredet, bis Mr. Woolam - der das Mehl hastig umverpackt hatte - herausgekommen war und unter dem bohrenden Blick des alten Mannes fünf Säcke in den Wagen geladen hatte.
    Mueller hatte sie zweimal sorgfältig durchgezählt, sich dann an Jamie gewandt und sich würdevoll bedankt. Dann war er neben seinem verblüfften Sohn auf den Wagen gestiegen und davongefahren.
    Grey kratzte an den Überresten seines Ausschlags herum und lächelte.

    »Ich verstehe. Also schien er es nicht übelgenommen zu haben?«
    Ich schüttelte kauend den Kopf und schluckte dann.
    »Überhaupt nicht. Er war die Liebenswürdigkeit in Person, als ich auf den Hof kam, um bei Petronellas Geburt zu helfen.« Die erneute Erkenntnis, daß sie nicht mehr lebte, schnürte mir die Kehle zu, und ich verschluckte mich am bitteren Geschmack der Löwenzahnblätter, als mir die Galle im Hals aufstieg.
    »Hier.« Grey schob mir den Alekrug über den Tisch zu.
    Ich trank in vollen Zügen, und die saure Kühle linderte für einen Augenblick die tiefere Bitternis meines Gemüts. Ich stellte den Krug hin und saß einen Augenblick lang mit geschlossenen Augen da. Ein frisch duftender Luftzug wehte vom Fenster herein, doch die Sonne wärmte die Tischplatte unter meinen Händen. All die kleinen Freuden körperlicher Existenz waren immer noch mein, und ich war mir ihrer um so akuter bewußt, als ich wußte, daß sie anderen so abrupt genommen worden waren - anderen, die sie kaum geschmeckt hatten.
    »Danke«, sagte ich und öffnete die Augen.
    Grey beobachtete mich mit einem Ausdruck tiefen Mitgefühls.
    »Man sollte nicht meinen, daß es einen so mitnimmt«, sagte ich in dem plötzlichen Bedürfnis,

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