Der Ruf Der Trommel
und spürte den sonnengewärmten Balken unter ihrer Hand.
»Alles in Ordnung, Cousine?« Jamie hatte sich umgewandt und sah sie fragend an.
»Bestens.« Sie eilte hinter ihm ins Haus und zog automatisch den Kopf ein, obwohl es nicht nötig war.
»Wir sind fast alle groß, bis auf Mama und die kleine Kitty«, sagte Jamie lächelnd, als er sah, wie sie sich bückte. »Mein Großvater - und deiner - hat das Haus für seine Frau gebaut, die auch eine sehr große Frau war. Es dürfte das einzige Haus in den Highlands sein, bei dem du durch die Tür gehen kannst, ohne den Kopf einzuziehen oder ihn dir zu stoßen.«
… und deiner . Bei seinen beiläufigen Worten wurde ihr trotz der Kühle im Flur plötzlich warm ums Herz.
Frank Randall war ein Einzelkind gewesen und ihre Mutter ebenfalls; sie hatte keine nahen Verwandten - nur ein paar ältere Großtanten in England und ein paar in Australien. Als sie sich auf den Weg machte, war sie nur davon ausgegangen, ihren Vater zu finden; daß sie gleichzeitig eine ganze Familie entdecken würde, war ihr nicht klar gewesen.
Eine Menge von Familie. Als sie den Flur mit seiner narbigen Wandverkleidung betrat, öffnete sich eine Tür, und vier kleine Kinder kamen herausgerannt, gefolgt von einer hochgewachsenen, jungen Frau mit braunen Locken.
»Ah, weg mit euch, schnell weg, ihr kleinen Fische!« rief sie und lief ihnen mit ausgestreckten Händen hinterher, die wie Zangen auf- und zuschnappten. »Gleich frißt euch der böse Krebs, schnapp, schnapp!«
Die Kinder flohen kichernd und kreischend durch den Flur und blickten mit ängstlichem Entzücken über ihre Schultern zurück. Eins von ihnen, ein kleiner Junge von vielleicht vier Jahren, sah Brianna und Jamie im Eingang stehen. Er änderte sofort seine Richtung, raste durch den Flur wie eine durchgehende Lokomotive und rief, »Papa, Papa, Papa!«
Ohne Rücksicht auf Verluste warf sich der Junge gegen Jamies Taille. Letzterer fing ihn geschickt auf und hob den strahlenden, kleinen Jungen hoch.
»Aber, aber, Matthew«, sagte er streng. »Was für Manieren bringt dir deine Tante Janet bei? Was soll denn deine neue Cousine von dir denken, wenn sie dich hier herumsausen sieht wie ein Huhn, das hinter seinen Körnern her ist?«
Der kleine Junge kicherte noch lauter; die Ermahnung erschreckte
ihn nicht im mindesten. Er sah Brianna verstohlen an, fing ihren Blick auf und vergrub sein Gesicht prompt an der Schulter seines Vaters. Langsam hob er den Kopf und riskierte einen weiteren Blick. Er riß die Augen auf.
»Pa!« sagte er. »Ist das eine Dame?«
»Natürlich; ich habe dir doch gesagt, sie ist deine Cousine.«
»Aber sie hat Hosen an!« Matthew starrte sie schockiert an. »Eine Dame trägt keine Hosen!«
Die junge Frau sah ganz danach aus, als teilte sie diese Meinung, doch sie unterbrach ihn entschlossen und setzte sich in Bewegung, um dem Vater den Jungen abzunehmen.
»Ja, und sie hat bestimmt einen guten Grund dafür, aber man sagt den Leuten so etwas nicht ins Gesicht. Geh und wasch dich, aye?« Sie stellte ihn auf den Boden und schob ihn sanft an. Er bewegte sich nicht, sondern machte kehrt, um Brianna anzuglotzen.
»Wo ist Oma, Matt?« fragte sein Vater.
»Im Wohnzimmer mit Opa und einer Dame und einem Mann«, antwortete Matthew prompt. »Sie haben zwei Kannen Kaffee getrunken und ein Tablett mit Scones und einen ganzen Dundee-Kuchen gegessen, aber Mama sagt, sie bleiben noch, weil sie hoffen, daß sie hier auch noch zu Abend essen können, und viel Spaß, weil es heute nur Suppe mit ein bißchen Haxe gibt, und verdammt - oh«, er hielt sich die Hand vor den Mund und sah seinen Vater schuldbewußt an, »und verflixt, wenn sie ihnen etwas von der Stachelbeertorte abgibt, egal, wie lange sie bleiben.«
Jamie sah seinen Sohn scharf an und blickte dann fragend zu seiner Schwester. »Eine Dame und ein Mann?«
Janet zog ein angewidertes Gesicht.
»Die Meckerziege und ihr Bruder«, sagte er.
Jamie grunzte und sah dabei Brianna an.
»Ich schätze, dann freut sich Mama wohl über eine Entschuldigung, von ihnen wegzukommen.« Er nickte Matthew zu. »Geh und hol deine Oma, Junge. Sag ihr, wir haben Besuch, den sie sicher sehen möchte. Und sag’s anständig, aye?« Er drehte Matthew zur Rückseite des Hauses um und entließ ihn mit einem sanften Klaps auf den Po.
Der Junge ging los, allerdings langsam und warf Brianna dabei einen Blick voll gebannter Faszination zu.
Jamie wandte sich lächelnd wieder an
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