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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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gefiltert von den Blättern des schwankenden Rosenstockes.
    Hier und dort blinkte ein glänzender Gegenstand auf oder glitzerte im schummrigen Halbdunkel wie ein Fisch in einem Riff; eine bemalte Puppe, die auf dem Teppich vor der Feuerstelle lag, wo eines der Enkelkinder sie vergessen hatte, ein chinesischer Korb, an dessen Deckel eine durchbohrte Münze als Verzierung festgebunden war. Ein Kerzenständer aus Messing auf dem Tisch, ein kleines Gemälde an der Wand, dessen kräftige Farben sich deutlich von dem weißen Putz abhoben.
    Jenny ging unverzüglich zu dem großen Kleiderschrank an der Zimmerwand und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ein großes, mit Saffianleder überzogenes Kästchen herunterzuholen, dessen Ecken vom Alter abgestoßen waren. Als sie den Deckel aufklappte, sah Brianna ein metallisches Glitzern und ein kurzes, scharfes Aufblitzen wie von Sonnenlicht auf Edelsteinen.
    »Hier ist er.« Jenny brachte ein dickes Bündel aus zusammengefaltetem Papier zum Vorschein, das weitgereist und vielgelesen aussah, und drückte es Brianna in die Hand. Es war versiegelt gewesen; ein fettiger Wachsfleck klebte immer noch am Rand eines Bogens.
    »Sie sind in der Kolonie North Carolina, aber sie leben nicht in der Nähe einer Stadt«, erklärte Jenny. »Jamie schreibt abends ein bißchen, wenn er kann, und er behält die Blätter, bis entweder er oder Fergus nach Cross Creek reiten oder ein Reisender vorbeikommt, der den Brief mitnimmt. So ist es angenehm für ihn; das Schreiben fällt ihm nicht leicht - besonders, seit er sich damals die Hand gebrochen hat.«
    Bei dieser beiläufigen Bemerkung fuhr Brianna auf, doch das ruhige Gesicht ihrer Tante zeigte keine besondere Regung.
    »Setz dich hin, Kleine.« Sie winkte mit der Hand und ließ Brianna die Wahl zwischen Hocker oder Bett.
    »Danke«, murmelte Brianna und wählte den Hocker. Also wußte Jenny vielleicht nicht alles über Jamie und Black Jack Randall? Die Vorstellung, daß sie vielleicht Dinge über diesen unbekannten Mann wußte, die nicht einmal seiner geliebten Schwester bekannt waren, hatte etwas Verwirrendes. Um den Gedanken zu verscheuchen, öffnete sie eilig den Brief.
    Die hingekritzelten Worte sprangen ihr schwarz und lebhaft ins Gesicht. Sie hatte diese Handschrift schon einmal gesehen - die verkrampften, widerspenstigen Buchstaben mit den großen, geschwungenen
Abschlüssen, doch das war auf einem zweihundert Jahre alten Dokument gewesen, dessen Tinte braun und verblichen war, die Handschrift gezähmt durch sorgsame Überlegung und Formalität. Hier hatte er sich frei gefühlt - seine Handschrift rollte in kühnem, sprunghaftem Gekritzel über die Seite, und die Zeilen drehten sich an den Enden betrunken aufwärts. Es war unordentlich, aber trotzdem lesbar.
     
    Fraser’s Ridge, Montag, 19. September
     
    Meine liebste Jenny,
    hier sind alle bei bester Gesundheit und guter Dinge und hoffen, daß dieser Brief alle Mitglieder Deines Haushaltes ähnlich zufrieden antrifft.
    Dein Sohn grüßt Dich aufs herzlichste und bittet mich, seinen Vater, seine Brüder und seine Schwestern an ihn zu erinnern. Er möchte, daß Du Matthew und Henry sagst, daß er ihnen das beigefügte Objekt schickt, welches der präparierte Schädel eines Tieres ist, das man seiner außergewöhnlichen Stacheln wegen Stachelschwein nennt (es hat keine Ähnlichkeit mit unserem kleinen Igel, denn es ist viel größer und lebt in den Wipfeln der Bäume, wo es sich von zarten Schößlingen ernährt). Sag Matthew und Henry, daß ich nicht weiß, warum seine Zähne orange sind. Zweifellos findet das Tier es dekorativ.
    Außerdem findest Du hier ein kleines Geschenk für Dich selbst; das Muster wird mit Hilfe der Stacheln des erwähnten Tiers erzielt, welche die Indianer mit den Säften verschiedener Pflanzen einfärben, bevor sie sie auf die einzigartige Weise verweben, die Du vor Dir siehst.
    Claire hat in letzter Zeit großes Interesse an der Unterhaltung - wenn man das Wort für eine Kommunikation benutzen kann, die sich zum großen Teil auf Gestikulieren und das Schneiden von Grimassen beschränkt (sie besteht darauf, daß sie keine Grimassen schneidet, worauf ich ihr antworte, daß ich in der besseren Position bin, dies zu beurteilen, da ich das dazugehörige Gesicht sehen kann und sie nicht) - an der Unterhaltung mit einer alten Indianer frau gezeigt, die in dieser Gegend als Heilerin sehr geschätzt wird und ihr viele solcher Pflanzen gegeben hat. Demzufolge sind ihre

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