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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Wenn man es nicht tut, wird sich heißer Gallensaft in ihren Organen in Gift verwandeln und ihren ganzen Körper anfüllen, und es wird ihr sicheres Verderben sein!«
    »Es wird Euer sicheres Verderben sein, wenn Ihr nicht geht«, hatte Brianna ihn mit zusammengebissenen Zähnen informiert. »Fort mit Euch, sofort!«
    Sein medizinischer Eifer war seinem Selbsterhaltungstrieb gewichen, und der junge Mann hatte seinen Koffer ergriffen und sich mit größtmöglicher Würde zurückgezogen. Am Fuß der Treppe hatte er angehalten, um ihr finstere Warnungen zuzurufen.
    Diese Warnungen hallten ihr noch in den Ohren wider, wenn sie nicht gerade nach unten unterwegs war, um die Schüssel aus dem Kupferkessel in der Küche zu füllen. Die Worte des Apothekers zeugten
zum Großteil schlicht von Ignoranz - Gefasel über Temperamente und schlechtes Blut -, doch einige riefen sich immer wieder mit unangenehmer Intensität in Erinnerung.
    »Wenn Ihr meinen gutgemeinten Rat nicht annehmt, Miß, dann könnt Ihr Euer Mädchen gleich zum Tode verurteilen!« hatte er gerufen, das indignierte Gesicht im Dunkel des Treppenhauses nach oben gewandt. »Ihr wißt ja selbst nicht, was Ihr für sie tun sollt!«
    Das stimmte. Sie wußte ja nicht einmal genau, was für eine Krankheit Lizzie hatte; der Apotheker hatte es als »Wechselfieber« bezeichnet, und die Wirtin hatte von der »Eingewöhnung« gesprochen. Es war ganz normal, daß neu angekommene Immigranten wiederholt krank wurden, denn sie waren ja einem ganzen Regiment von neuen Erregern ausgesetzt. Den unverhüllten Bemerkungen der Wirtin zufolge war es außerdem ganz normal, daß solche Immigranten diesen Eingewöhnungsprozeß nicht überlebten.
    Die Schüssel neigte sich, und heißes Wasser schwappte ihr über die Handgelenke. Gott allein wußte, ob der Brunnen hinter dem Wirtshaus hygienisch einwandfrei war oder nicht; besser, das kochende Wasser aus dem Kupferkessel zu benutzen und es abkühlen zu lassen, auch wenn es länger dauerte. Im Krug war kühles Wasser; sie ließ ein wenig davon zwischen Lizzies trockene, aufgesprungene Lippen tropfen und das Mädchen dann auf das Bett zurücksinken. Sie wusch Lizzie Gesicht und Hals, zog die Bettdecke zurück und befeuchtete erneut das leinene Nachthemd, unter dem die winzigen Brustwarzen als dunkelrote Punkte zu sehen waren.
    Mit schweren Augenlidern brachte Lizzie ein kurzes Lächeln zustande, dann sank sie mit einem leisen Seufzer zurück und schlief ein. Ihre schlaffen Gliedmaßen entspannten sich wie die Arme und Beine einer Stoffpuppe.
    Auch Brianna fühlte sich, als hätte man bei ihr das Füllmaterial entfernt. Sie zog den einzigen Hocker zum Fenster herüber und ließ sich darauf fallen. In dem vergeblichen Bemühen, etwas frische Luft zu schnappen, stützte sie sich auf die Fensterbank. Auf dem ganzen Weg von Charleston hierher hatte die Luft wie eine bleierne Decke über ihnen gelegen - kein Wunder, daß die arme Lizzie unter ihrem Gewicht zusammengebrochen war.
    Sie kratzte sich beklommen an einem Stich auf ihrem Oberschenkel; die Insekten waren nicht annähernd so scharf auf sie wie auf Lizzie, doch ein paarmal war sie auch gestochen worden. Malaria war für sie nicht gefährlich; sie war dagegen geimpft, genauso wie gegen Typhus, Cholera und alles, was sie sich sonst noch vorstellen konnte.
Aber es gab keinen Impfstoff gegen Krankheiten wie das Denguefieber oder die Dutzenden von anderen Seuchen, die die dicke Luft wie böswillige Geister heimsuchten. Wie viele davon wurden von blutsaugenden Insekten verbreitet?
    Sie schloß die Augen, lehnte den Kopf an den Holzrahmen und tupfte sich mit den Falten ihres Hemdes die Schweißtropfen vom Brustbein. Sie konnte sich riechen; wie lange trug sie diese Kleider schon? Es spielte keine Rolle; sie war zwei Tage und Nächte lang fast pausenlos wach gewesen und war zu müde, um sich umzuziehen, ganz zu schweigen von der Anstrengung, sich zu waschen.
    Lizzies Fieber schien vorbei zu sein - doch für wie lange? Wenn es weiterhin immer so wiederkam, würde es das kleine Dienstmädchen mit Sicherheit umbringen; sie hatte bereits das ganze Gewicht wieder verloren, das sie auf der Reise zugenommen hatte und ihre helle Haut begann, im Sonnenlicht gelblich auszusehen.
    In Wilmington war keine Hilfe zu finden. Brianna setzte sich gerade hin, reckte sich und spürte, wie ihre Rückenwirbel wieder in Position sprangen. Müde oder nicht, es gab nur eins, was sie tun konnte. Sie mußte ihre Mutter

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