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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Hand, in ein Tuch gewickelt, um sich nicht zu verbrennen, und machte einen Umweg am Rand des Raums entlang, um dem Möchtegern-Grabscher aus dem Weg zu gehen. Wenn er sie anfaßte, würde sie ihm kochendes Wasser in den Schoß gießen. Das würde zwar genau das sein, was er verdiente, und es würde ihre brodelnden Gefühle abkühlen, doch damit würde sie den Tee vergeuden, den Lizzie dringend benötigte.
    Sie ging vorsichtig seitwärts und quetschte sich zwischen den grölenden Kartenspielern und der Wand hindurch. Der Tisch war mit Münzen und anderen kleinen Wertgegenständen übersät: Knöpfen aus Silber, Gold und Zinn, einer Schnupftabakdose, einem silbernen Taschenmesser und vollgekritzelten Papierschnipseln - Schuldscheine, dachte sie, oder das, was man im achtzehnten Jahrhundert statt dessen benutzte. Dann bewegte sich einer der Männer, und über seine Schulter hinweg sah sie etwas Goldenes aufglitzern.
    Sie blickte zu Boden, wandte den Blick ab und sah dann erschrokken wieder hin. Es war ein Ring, ein einfaches Goldband, nur breiter als üblich. Doch es war nicht das Gold allein, das ihr aufgefallen war. Der Ring lag keinen halben Meter von ihr entfernt, und das Licht im Schankraum war zwar schummrig, doch auf dem Tisch stand ein Kerzenhalter, der die Innenseite des Goldreifs beleuchtete.
    Sie konnte die Buchstaben, die dort eingraviert waren, nicht wirklich lesen, doch sie kannte ihr Muster so gut, daß die Inschrift ihr ganz von selbst zu Bewußtsein kam.

    Sie legte eine Hand auf die Schulter des Mannes, dem der Ring gehörte, und unterbrach ihn mitten in seinem Witz. Er drehte sich mit einem halben Stirnrunzeln um, doch seine Stirn glättete sich, als er sah, wer ihn angefaßt hatte.
    »Aye, Süße, bist du vielleicht gekommen, um mir Glück zu bringen?« Er war ein hochgewachsener Mann mit einem grobknochigen, gutaussehenden Gesicht, einem breiten Mund, einer gebrochenen Nase und einem Paar hellgrüner Augen, die sie rasch und abschätzend überflogen.
    Sie zwang ihre Lippen, ihn anzulächeln.
    »Ich hoffe doch«, sagte sie. »Soll ich Euren Ring ein bißchen blankreiben, damit er Glück bringt?« Ohne auf seine Erlaubnis zu warten, schnappte sie sich den Ring vom Tisch und rieb ihn rasch an ihrem Ärmel ab. Dann hielt sie ihn hoch, um seinen Glanz zu bewundern, und konnte die Worte auf der Innenseite deutlich sehen.
    Von F. für C. in Liebe. Immer.
    Ihre Hand zitterte, als sie ihn zurückgab.
    »Er ist sehr hübsch«, sagte sie. »Woher habt Ihr ihn?«
    Er sah erschrocken aus, dann argwöhnisch, und sie beeilte sich hinzuzufügen: »Er ist zu klein für Euch - wird sich Eure Frau nicht ärgern, wenn Ihr ihren Ring verliert?« Woher? dachte sie wild. Woher hat er ihn? Und was ist meiner Mutter zugestoßen?
    Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem charmanten Lächeln.
    »Wenn ich eine Frau hätte, Süße, dann würde ich sie für dich jederzeit verlassen.« Er betrachtete sie genauer, und seine langen Wimpern senkten sich, um seinen Blick zu verbergen. Er berührte ihre Taille beiläufig mit einer kleinen, einladenden Geste.
    »Ich bin gerade beschäftigt, Schätzchen, aber später… was?«
    Die Tasse brannte jetzt durch das Tuch, doch ihre Finger fühlten sich kalt an. Ihr Herz hatte sich zu einem kleinen Klumpen aus Entsetzen zusammengeballt.
    »Morgen«, sagte sie. »Bei Tageslicht.«
    Er sah sie überrascht an, dann warf er den Kopf zurück und lachte.
    »Also, ich habe ja schon gehört, daß die Männer sagen, daß man mir besser nicht im Dunkeln über den Weg läuft, Püppchen, aber den Frauen scheint es lieber zu sein.« Er fuhr spielerisch mit seinem kräftigen Finger über ihren Unterarm; die rotgoldenen Haare sträubten sich bei seiner Berührung.
    »Dann also bei Tageslicht, wenn du willst. Komm zu meinem Schiff - Gloriana , neben dem Marinehafen.«

     
    »Du liebe Güte, seit wann hattet Ihr denn schon nichts mehr gegessen?« Miß Viorst blickte voll gutmütigem Unglauben auf Briannas leere Schüssel. Sie war ungefähr in ihrem Alter, eine breit gebaute, ruhige Holländerin, die wegen ihrer mütterlichen Art viel älter erschien, als sie war.
    »Vorgestern, glaube ich.« Brianna nahm dankbar eine zweite Portion Klößchensuppe entgegen und noch eine dicke Brotscheibe, die mit Röllchen frischer, weißer Butter bestrichen war. »Oh, danke!« Das Essen half, das Loch zu füllen, das in ihrem Inneren gähnte, ein schwacher, warmer Trost, der ihr wieder eine Mitte gab.
    Lizzies Fieber

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