Der Ruf Der Trommel
verdrängte alle anderen Gedanken und war fest entschlossen, die letzten paar Tage und deren Ereignisse zu vergessen. Sie würde Jamie Fraser finden.
Fort waren die sandigen Straßen, die Krüppelkiefern und die marschigen Sümpfe der Küste, ersetzt durch kühles, grünes Gebüsch, riesige dickstämmige, bewipfelte Bäume und einen weichen, orangefarbenen Boden, der sich überall dort, wo sich totes Laub am Straßenrand gesammelt hatte, zu schwarzem Kompost verdunkelte.
Fort war das Gekreische der Möwen und Seeschwalben. Statt dessen erklang das gedämpfte Plappern eines Eichelhähers, und der weiche, flüssige Gesang eines Schreienden Ziegenmelkers ertönte weit weg im Wald.
Wie würde es sein? fragte sie sich. Das hatte sie sich schon hundertmal gefragt und sich hundert verschiedene Szenen ausgemalt: Was sie sagen würde, was er sagen würde - würde er sich freuen, sie zu sehen? Sie hoffte es, und doch würde er ein Fremder sein. Wahrscheinlich hätte er keinerlei Ähnlichkeit mit dem Mann in ihrer Phantasie. Unter Schwierigkeiten kämpfte sie die Erinnerung an Laoghaires Stimme nieder: Ein Lügner und Betrüger … Ihre Mutter hatte das nicht geglaubt.
»Ein jeder Tag hat seine eigene Plage«, murmelte sie vor sich hin. Sie hatte den Ortskern von Cross Creek erreicht; die verstreuten Häuser verdichteten sich, und der Feldweg verbreiterte sich zu einer gepflasterten Straße, die von Läden und größeren Häusern gesäumt war. Es waren Leute unterwegs, doch es war die heißeste Zeit des Nachmittags, in der die Luft still und schwer auf der Stadt lag. Wer konnte, hielt sich im Schatten geschlossener Räume auf.
Die Straße machte eine Biegung und folgte dem Ufer. Eine kleine Sägemühle stand etwas abgelegen auf einer Landzunge, und daneben war ein Wirtshaus. Dort würde sie fragen, beschloß sie. Es war so heiß, daß sie etwas zu trinken gebrauchen konnte.
Sie klopfte sich auf die Rocktasche, um sich zu versichern, daß sie Geld dabei hatte. Statt dessen spürte sie das stachelige Äußere einer Roßkastanienhülle und zog ihre Hand fort, als hätte sie sich verbrannt.
Sie fühlte sich wieder leer, obwohl sie etwas gegessen hatte. Mit zusammengepreßten Lippen band sie das Maultier fest und tauchte in die dunkle Zuflucht des Wirtshauses ein.
Der Raum war leer bis auf den Wirt, der schlaftrunken auf seinem
Hocker saß. Beim Klang ihrer Schritte wurde er lebendig, und nach den üblichen, überraschten Glubschaugen über ihre Erscheinung servierte er ihr ein Bier und erklärte ihr höflich den Weg zum Gerichtshaus.
»Danke.« Sie wischte sich mit dem Rockärmel den Schweiß von der Stirn - selbst drinnen war die Hitze erdrückend.
»Also seid Ihr wegen des Prozesses hier?« fragte der Wirt, der sie nach wie vor neugierig betrachtete.
«Ja - na ja, nicht direkt. Wem wird da eigentlich der Prozeß gemacht?« fragte sie, denn erst jetzt wurde ihr klar, daß sie keine Ahnung hatte.
»Oh, Fergus Fraser natürlich«, sagte der Mann, als setzte er voraus, daß jedermann wußte, wer Fergus Fraser war. »Die Anklage lautet Überfall auf einen Offizier der Krone. Aber er wird sowieso freigesprochen«, fuhr der Wirt gelassen fort. »Jamie Fraser ist seinetwegen vom Berg gekommen.«
Brianna verschluckte sich an ihrem Bier.
»Ihr kennt Jamie Fraser?« fragte sie atemlos, während sie an dem Schaum herumtupfte, den sie sich auf den Rockärmel gespritzt hatte.
Die Augenbrauen des Wirtes fuhren hoch.
»Wartet nur einen Moment, dann lernt Ihr ihn auch kennen.« Er wies kopfnickend auf einen Zinnkrug, der auf dem Nebentisch stand. Er war ihr beim Hereinkommen nicht aufgefallen. »Er ist hinten hinausgegangen, gerade, als Ihr hereinkamt. He - hey!« Er schrak mit einem Überraschungsschrei zurück, als sie ihren Krug zu Boden fallen ließ und blitzschnell zur Hintertür hinausschoß.
Nach dem Halbdunkel des Schankraums blendete das Tageslicht. Brianna blinzelte, und ihre Augen überflogen hastig die Bahnen aus Sonnenlicht, die aus dem grünen Laub einer schwankenden Ahornreihe hervorstachen. Dann fing ihr Blick unter den tanzenden Blättern eine Bewegung auf.
Er stand im Schatten der Ahornbäume, halb von ihr abgewandt, den Kopf voll Konzentration gesenkt. Ein hochgewachsener Mann, langbeinig und elegant, mit breiten Schultern unter einem weißen Hemd. Er trug einen verblichenen Kilt in blassen Grün- und Brauntönen, den er vorn lässig hochhielt, während er gegen einen Baum urinierte.
Er beendete sein
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