Der Ruf Der Trommel
ich nicht. Ich - Gott, Brianna, ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dir wehzutun!«
Sie stand still da und atmete schwer durch die Nase. Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann wäre es sicher Feuer und Schwefel statt Luft gewesen.
»Es war nicht deine Sache, für mich zu entscheiden«, preßte sie zwischen den Zähnen heraus. »Egal, was du gedacht hast. Noch dazu über etwas so Wichtiges - Roger, wie konntest du so etwas tun ?«
Der enttäuschte Tonfall in ihrer Stimme war zuviel für ihn.
»Verdammt, ich hatte Angst, du würdest genau das tun, was du getan hast, wenn ich es dir sagen würde!« platzte er heraus. »Daß du mich verlassen würdest! Daß du versuchen würdest, allein durch die Steine zu gehen. Und jetzt sieh mal, was du angerichtet hast - jetzt sind wir beide an diesem gottverdammten…«
»Du versuchst, mir die Schuld dafür zu geben, daß du hier bist? Wo ich doch alles getan habe, zu verhindern, daß du so ein Idiot bist und mir folgst?«
Monate der Qual und des Schreckens, Tage der Sorge und der fruchtlosen Suche fielen mit einem brennenden Schlag über Roger her.
»Ein Idiot? Das ist der Dank dafür, daß ich mich abschufte, um dich zu finden? Daß ich mein verdammtes Leben aufs Spiel setze, um zu versuchen, dich zu beschützen?« Er erhob sich aus dem Stroh, um nach ihr zu greifen, obwohl er nicht wußte, ob er sie lieber durchrütteln oder erneut mit ihr schlafen sollte. Er bekam keine Gelegenheit, auch nur irgend etwas zu tun; ein harter Stoß traf ihn unerwartet mitten vor die Brust, und er fiel der Länge nach ins Heu.
Sie hüpfte auf einem Fuß herum und fluchte unzusammenhängend, während sie sich in ihre Kniehose kämpfte.
»Du - verdammt - arroganter - verdammt, Roger -, verdammt !« Sie zerrte die Kniehose hoch, bückte sich und schnappte sich ihre Schuhe und Strümpfe.
»Geh!« sagte sie. »Verdammt noch mal, geh! Geh und laß dich aufhängen, wenn es dir Spaß macht! Ich finde meine Eltern! Und ich rette sie auch!«
Sie rannte davon, erreichte das Tor und riß es auf, bevor er sie einholen konnte. Einen Moment lang blieb sie stehen, ein Umriß im bleicheren Rechteck des Tors, und ihre dunklen Haarsträhnen wehten im Wind, so lebendig wie die Strähnen der Mähne Medusas.
»Ich gehe. Komm mit, oder komm nicht mit, es ist mir egal. Geh
zurück nach Schottland - geh von mir aus allein durch die Steine zurück! Aber bei Gott, du kannst mich nicht aufhalten.«
Und dann war sie fort.
Lizzies Augenlider flogen weit auf, als die Tür aufflog und gegen die Wand donnerte. Sie hatte nicht geschlafen - wie hätte sie schlafen sollen? - und mit geschlossenen Augen dagelegen. Sie kämpfte sich aus der Bettwäsche hoch und suchte nach der Zunderschachtel.
»Alles in Ordnung, Miss Brianna?«
Es hörte sich nicht so an; Brianna stampfte hin und her, zischte durch die Zähne wie eine Schlange, blieb stehen, um dem Kleiderschrank einen mächtigen Tritt zu versetzen. Es knallte noch zweimal in schneller Folge; im flackernden Licht der frisch entzündeten Kerze konnte Lizzie sehen, daß Briannas Schuhe an der Wand gelandet und zu Boden gefallen waren.
»Ist alles in Ordnung?« wiederholte sie unsicher.
»Bestens!« sagte Brianna.
Aus der schwarzen Luft jenseits des Fensters dröhnte eine Stimme: »Brianna! Ich komme und hole dich! Hörst du mich? Ich werde kommen !«
Ihre Herrin gab keine Antwort, sondern rannte zum Fenster, ergriff die Fensterläden und warf sie mit einem Krach zu, der im Zimmer widerhallte. Dann drehte sie sich um wie ein angreifender Panther und schleuderte den Kerzenständer zu Boden, womit sie den Raum in erstickendes Dunkel tauchte.
Lizzie sank auf das Bett zurück und blieb erstarrt liegen. Sie hatte Angst, sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Sie konnte hören, wie sich Brianna in stummer Hektik die Kleider vom Leib riß und ihr zischendes Einatmen das Rascheln der Kleider und das Stampfen ihrer nackten Füße auf dem Boden unterbrach. Durch die Fensterläden hörte sie draußen unterdrückte Fluchgeräusche, dann nichts mehr.
Einen Augenblick lang hatte sie Briannas Gesicht im Licht gesehen; papierweiß und hart, die Augen schwarze Löcher. Ihre sanfte, freundliche Herrin hatte sich in Luft aufgelöst, war von einer deamhan , einer Teufelin, besessen. Lizzie war ein Stadtmädchen, lange nach Culloden geboren. Sie hatte die wilden Clansmänner der Täler nie gesehen, nie einen Highlander, der von blinder Wut ergriffen war - doch sie hatte die alten
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