Der Ruf Der Trommel
rächen.
»Es ist… äh… also, es ist nicht so, wie Ihr denkt«, platzte er heraus. »Ich meine, wir… also… wir hatten vor…«
»Ja oder nein?« Frasers Gesicht war keinen halben Meter von ihm entfernt und völlig ausdruckslos, nur tief in seinen Augen brannte etwas Undefinierbares.
»Hört mir zu - ich - verdammt, ja! Sie wollte -«
Fraser boxte ihn knapp unter die Rippen.
Roger knickte in der Hüfte ein, stolperte rückwärts und schnappte nach Luft. Es schmerzte nicht - noch nicht -, doch er hatte die Kraft des Hiebes bis in seine Wirbelsäule gespürt. In der Hauptsache empfand er Erstaunen, versetzt mit Wut.
»Halt«, sagte er und versuchte, genug Luft zum Reden einzuatmen. »Halt! In Gottes Namen, ich habe doch gesagt, ich -«
Fraser schlug erneut zu, seitlich gegen seinen Kiefer. Diesmal tat es weh, ein gewaltiger Schlag, der ihm die Haut aufschürfte und seinen Kiefer pochen ließ. Roger fuhr zurück, und seine Angst verwandelte
sich rapide in blinde Wut. Der verdammte Mistkerl versuchte ihn umzubringen.
Fraser holte erneut aus, verfehlte ihn aber, weil Roger sich duckte und herumfuhr. Na dann, zum Teufel mit dem Familienfrieden!
Er trat einen Riesenschritt zurück und fuhr schulterzuckend aus seinem Rock. Zu seiner Überraschung verfolgte Fraser ihn nicht, sondern stand nur da, die Fäuste an den Seiten, und wartete.
Das Blut trommelte in Rogers Ohren, und er hatte nur noch Augen für Fraser. Wenn der Kerl einen Kampf wollte, dann sollte er eben einen bekommen.
Roger ging etwas in die Knie, Hände erhoben und bereit. Er hatte sich überrumpeln lassen, doch so würde man ihn nicht noch einmal erwischen. Er war kein Schlägertyp, doch er hatte schon so manche Kneipenrauferei hinter sich. Von ihrer Größe und Reichweite her paßten sie gut zusammen, und er war über fünfzehn Jahre jünger als der Mann.
Er sah Frasers Rechte, duckte sich und holte zum Gegenschlag aus, spürte, wie seine Faust Leinen streifte, als sie an Frasers Seite vorbeifuhr, und dann erwischte ihn die Linke, die er nicht gesehen hatte, im Auge. Blutige Sterne und Lichtstreifen explodierten an der Seite seines Kopfes, und ihm liefen Tränen über die Wange, als er sich brüllend auf Fraser stürzte.
Er traf den Mann; er konnte spüren, wie seine Fäuste auf Knochen prallten, doch es schien keinen Unterschied zu bewirken. Mit seinem unverletzten Auge konnte er das breitflächige Gesicht sehen, unheimlich ruhig und konzentriert wie ein Berserker von einem Wikingerschiff. Er holte aus, und es verschwand, dann kam es wieder hoch; er holte aus und streifte ein Ohr. Ein Schlag traf ihn an der Schulter; er wurde halb herumgeschleudert, erholte sich wieder und stürzte kopfüber auf Fraser los.
»Sie gehört… mir«, knirschte er mit zusammengebissenen Zähnen. Er hatte die Arme um Frasers Körper geschlungen und spürte, wie dessen federnde Rippen unter dem Druck nachgaben. Er würde den Mistkerl wie eine Nuß knacken. »Mir… klar?«
Fraser hieb ihm ins Genick wie einem Kaninchen, der Schlag streifte ihn nur, war aber fest genug, um seinen linken Arm und eine Schulter zu betäuben. Er ließ los, zog seine Schultern hoch und rammte seine rechte Schulter fest gegen Frasers Brust, um den älteren Mann aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Fraser trat einen kleinen Schritt zurück und verpaßte ihm einen kräftigen Haken, doch der Schlag traf seine Rippen, nicht das empfindliche
Gewebe darunter. Dennoch war er so fest, daß Roger grunzend zurückfuhr und sich duckte, um sich zu schützen.
Fraser senkte den Kopf und prallte direkt gegen ihn, er flog rückwärts und landete hart. Blut lief ihm aus der Nase über Mund und Kinn; wie aus der Ferne beobachtete er, wie die verstreuten, dunkelroten Tropfen sich auf seinem Hemd ausbreiteten und zu einem Flecken zusammenwuchsen.
Er wälzte sich auf die Seite, um dem Tritt auszuweichen, den er kommen sah, doch nicht weit genug. Während er sich panisch in die andere Richtung rollte, kam ihm fast beiläufig der Gedanke, daß er zwar fünfzehn Jahre jünger sein mochte als sein Gegner, Jamie Fraser aber sehr wahrscheinlich jedes einzelne dieser fünfzehn Jahre im Kampf von Mann zu Mann verbracht hatte.
Er war für den Augenblick außer Reichweite. Er rollte sich japsend auf Hände und Knie hoch. Blut gurgelte bei jedem Atemzug zwischen seinen zertrümmerten Knorpeln hindurch; er konnte es in seiner Kehle schmecken, ein Geschmack wie geschliffenes Metall.
»Reicht«, keuchte er. »Nein.
Weitere Kostenlose Bücher