Der Ruf Der Trommel
Reicht!«
Eine Hand ergriff sein Haar und riß ihm den Kopf nach hinten. Blaue Augen glitzerten in fünfzehn Zentimetern Entfernung, und er spürte den Atem des Mannes heiß in seinem Gesicht.
»Reicht noch lange nicht«, sagte Fraser und stieß ihm das Knie in den Mund. Er fiel um und drehte sich einmal um sich selbst, dann kämpfte er sich hoch. Die Lichtung verschwamm in einem gelben und orangen Pulsieren; nur der Instinkt trieb ihn hoch und setzte ihn in Bewegung.
Er kämpfte um sein Leben, das war ihm klar. Er warf sich blindlings auf die schwankende Gestalt, bekam Frasers Hemd zu fassen und rammte dem Mann einen Boxhieb in den Bauch, so fest er konnte. Stoff riß, und seine Faust traf auf Knochen. Fraser wich ihm aus wie eine Schlange und ließ seine Hand zwischen ihnen nach unten fahren. Er ergriff Rogers Hoden und drückte mit aller Kraft zu.
Roger stand stocksteif da, dann stürzte er zu Boden, als wäre seine Wirbelsäule durchtrennt worden. Für den Bruchteil einer Sekunde, bevor der Schmerz einsetzte, war sich Roger eines letzten Gedankens bewußt, so kalt und klar wie ein Eissplitter. Mein Gott , dachte er, ich werde sterben, noch bevor ich geboren bin.
47
Eines Vaters Wiegenlied
Es war weit nach Anbruch der Dunkelheit, als Jamie heimkam, und meine Nerven waren von der Warterei durch und durch gereizt; über Briannas konnte ich nur spekulieren. Wir hatten zu Abend gegessen - oder sollte ich sagen, das Abendessen war aufgetragen worden. Keine von uns hatte Appetit gehabt; selbst Lizzies üblicher Heißhunger war merklich gebremst. Ich hoffte, daß das Mädchen nicht krank war; bleich und still hatte sie sich mit Kopfschmerzen entschuldigt und war im Kräuterschuppen zu Bett gegangen. Dennoch, unter den Umständen war es von Vorteil; so brauchte ich mir keine Entschuldigung einfallen zu lassen, um sie loszuwerden, wenn Jamie kam.
Die Kerzen brannten schon seit über einer Stunde, als ich endlich hörte, wie die Ziegen beim Klang seiner Schritte auf dem Weg zur Begrüßung meckerten. Brianna blickte bei dem Geräusch augenblicklich auf, das Gesicht blaß im gelben Licht.
»Es wird schon werden«, sagte ich. Sie hörte die Zuversicht in meiner Stimme und nickte ein wenig beruhigter. Meine Zuversicht war echt, aber nicht ungetrübt. Ich glaubte, daß am Ende alles gut werden würde - doch es würde weiß Gott kein gemütlicher Familienabend werden. Ich kannte Jamie zwar gut, doch es gab immer noch genügend Situationen, bei denen ich keine Ahnung hatte, wie er reagieren würde - und zu erfahren, daß seine Tochter von einem Vergewaltiger schwanger war, war definitiv eine davon.
In den Stunden, seit Brianna meinen Verdacht zur Gewißheit gemacht hatte, hatte ich mir buchstäblich all seine möglichen Reaktionen ausgemalt, und einige davon beinhalteten Geschrei und Fausthiebe gegen feste Gegenstände, Verhaltensweisen, die mich immer wieder aus der Fassung brachten. Möglicherweise hatten sie ja auf Brianna dieselbe Wirkung, und ich wußte sehr viel besser, wie sie sich verhalten konnte, wenn sie aus der Fassung geriet.
Im Augenblick hatte sie sich fest unter Kontrolle, doch ich wußte,
auf welch tönernen Füßen ihr ruhiges Auftreten stand. Wenn er auch nur ein verletzendes Wort zu ihr sagte, würde sie aufflammen wie ein angerissenes Streichholz. Neben dem roten Haar und der atemberaubenden Körpergröße hatte sie von Jamie auch ihre leidenschaftliche Art und die absolute Bereitschaft, ihre Meinung zu sagen.
Da sie noch so wenig miteinander vertraut waren und so begierig, einander Freude zu machen, waren sie beide bis jetzt vorsichtig vorgegangen - doch es schien keine Möglichkeit zu geben, das hier mit Vorsicht abzuhandeln. Da ich mir nicht sicher war, ob ich mich besser darauf vorbereitete, als Anwältin, Dolmetscherin oder Schiedsrichterin zu fungieren, verspürte ich ein ziemlich hohles Gefühl, als ich den Riegel anhob, um ihn hereinzulassen.
Er hatte sich am Bach gewaschen; sein Haar war an den Schläfen feucht, und den feuchten Stellen an seinem Hemdschoß zufolge hatte er sich das Gesicht damit abgetrocknet.
»Du bist ziemlich spät; wo bist du gewesen?« fragte ich, während ich mich auf die Zehenspitzen stellte, um ihm einen Kuß zu geben. »Und wo ist Ian?«
»Fergus ist gekommen und hat gefragt, ob wir ihm mit den Steinen für den Kamin helfen könnten - das konnte er ja wohl kaum alleine. Ian ist drüben geblieben und hilft ihm, die Arbeit zu beenden.« Er küßte mich abwesend
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