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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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kurzen, verlangenden Blick auf die frischen Brötchen nicht verkneifen; ihre anfängliche, leichte Übelkeit war vorbei, und sie war einem Appetit gewichen, dessen Intensität schon fast beunruhigend war.
    Er bemerkte ihren Blick, zog lächelnd seinen Dolch, schnitt eins der Brötchen halb durch und gab ihr das größere Stück.
    Sie saßen nebeneinander auf dem Stroh und kauten eine Zeitlang einträchtig vor sich hin. Die Stille wurde nur durch das leise Schnauben und Grunzen der anderen Stallbewohner unterbrochen. An der gegenüberliegenden Seite des Stalls war ein Verschlag für die riesige Sau und ihren jüngsten Wurf abgetrennt; Brianna konnte sie gerade eben im Stroh ausmachen, eine Reihe eng aneinanderliegender, rundlicher
Körper, die jetzt schon in weiser Voraussicht wie Würste geformt waren.
    Der Rest des kleinen Innenraums war in drei grob gezimmerte Boxen unterteilt. Eine gehörte Magdalen, der roten Kuh, die friedlich wiederkäuend im Stroh lag, und ihrem neugeborenen Kalb, das sich im Schlaf an ihre massive Brust gekuschelt hatte.
    Die zweite Box war leer und mit frischem Stroh ausgelegt; sie stand für die gescheckte Kuh und ihr überfälliges Kalb bereit. In der dritten Box stand Ians Stute mit glänzenden, vom Gewicht eines Fohlens ausgewölbten Flanken.
    »Hier sieht es aus wie in einer Entbindungsstation«, sagte Brianna und wies kopfnickend auf Magdalen, während sie sich die Krümel von ihrem Rock strich.
    Jamie lächelte und zog eine Augenbraue hoch wie immer, wenn sie etwas sagte, das er nicht verstand.
    »Ach ja?«
    »Das ist ein besonderer Teil des Krankenhauses, in dem sie die frischgebackenen Mütter mit ihren Neugeborenen unterbringen«, erklärte sie. »Mama hat mich manchmal zur Arbeit mitgenommen, und ich durfte mir das Säuglingszimmer ansehen, während sie ihre Runde machte.«
    Eine plötzliche Erinnerung an den leicht ätzenden Desinfektionsmittelgeruch des Krankenhausflurs überkam sie. Die Babys waren zu Bündeln gewickelt und lagen plump wie Ferkel in ihren Bettchen, ihre Decken rosa und blau codiert. Sie verbrachte viel Zeit damit, an der Bettenreihe auf- und abzugehen, während sie versuchte, sich zu entscheiden, welches sie mit nach Hause nehmen würde, wenn sie eins behalten dürfte.
    Rosa oder blau? Zum ersten Mal fragte sie sich, was wohl das Baby tragen würde, das sie jetzt behalten würde . Es war seltsam beunruhigend, »es« sich als Junge oder Mädchen vorzustellen, und sie schob den Gedanken mit Worten von sich.
    »Sie haben die Babys hinter eine Glaswand gelegt, so daß man sie ansehen konnte, ohne Keime auf sie zu atmen«, sagte sie mit einem Seitenblick auf Magdalen, die selbstvergessen die grünen Speichelfäden ignorierte, die von ihrem seelenruhig kauenden Kiefer auf den Kopf ihres Kalbes tropften.
    »Keime«, sagte er nachdenklich. »Aye, von den Keimen habe ich schon gehört. Gefährliche kleine Biester, nicht wahr?«
    »Manchmal.« Sie erinnerte sich lebhaft daran, wie ihre Mutter ihre Medizinkiste für den Besuch bei den Lachlans fertiggemacht und
sorgfältig die große Glasflasche mit destilliertem Alkohol aus dem Faß in der Vorratskammer nachgefüllt hatte. Und, länger her, aber nicht weniger lebhaft, wie ihre Mutter Roger von der Vergangenheit erzählt hatte.
    »Eine Geburt war das Gefährlichste, auf das eine Frau sich einlassen konnte«, hatte Claire gesagt und bei den Erinnerungen an die Dinge, die sie gesehen hatte, die Stirn gerunzelt. »Infektionen, Plazentarisse, abnorme Lagen, Fehlgeburten, Blutungen, Kindbettfieber - in den meisten Gegenden waren die Aussichten, eine Geburt zu überleben, ungefähr fifty-fifty.«
    Briannas Finger fühlten sich kalt an trotz der zischenden Kiefernscheite im Ofen, und ihr Heißhunger schien plötzlich verschwunden zu sein. Sie legte den Rest ihres Brötchens ins Stroh, schluckte und fühlte sich, als sei ihr ein Bissen im Hals steckengeblieben.
    Die breite Hand ihres Vaters berührte ihr Knie. Sie spürte seine Wärme noch durch den Wollstoff ihres Rockes.
    »Deine Mutter wird nicht zulassen, daß dir etwas zustößt«, sagte er barsch. »Sie hat schon öfter mit diesen Keimen gekämpft; ich habe es gesehen. Sie hat nicht zugelassen, daß sie mich kriegten, und sie wird auch nicht dulden, daß sie dir Schwierigkeiten machen. Sie ist ziemlich stur, weißt du?«
    Sie lachte, und das Erstickungsgefühl ließ nach.
    »Sie würde sagen, nur ein Sturkopf weiß, was ein Sturkopf ist.«
    »Da hat sie wohl recht.« Er

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