Der Ruf Der Trommel
Wurzel.
Er warf mir einen scharfen Blick zu, schaute zur Anrichte, wo mein Küchenmesser deutlich sichtbar lag, und sah mich dann erneut mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Aye? Ich habe noch nie gesehen, daß du eins von denen da« - er wies kopfnickend auf das offene Fach mit den Skalpellen und chirurgischen Klingen - »für etwas anderes als Menschen benutzt.«
Meine Hand zuckte leicht in der seinen, und er verstärkte seinen Griff um meinen Daumen und drückte so fest zu, daß ich vor Schmerzen die Luft anhielt. Er lockerte seinen Griff und sah mir konzentriert und stirnrunzelnd ins Gesicht.
»Was in Gottes Namen hast du vor, Sassenach? Du siehst aus, als hätte ich dich bei den Vorbereitungen zu einem Mord ertappt.«
Meine Lippen fühlten sich steif und blutleer an. Ich zog meine Daumen aus seiner Umklammerung, setzte mich hin und hielt mir den verletzten Finger mit der anderen Hand an die Brust.
»Ich war dabei… einen Entschluß zu fassen«, sagte ich sehr zurückhaltend. Es hatte keinen Zweck zu lügen; früher oder später würde er es erfahren müssen, wenn Brianna -
»Was für einen Entschluß?«
»Wegen Brianna. Wie wir es am besten machen.«
»Machen?« Seine Augenbrauen schossen in die Höhe. Er blickte auf die offene Medizintruhe, dann auf das Skalpell, und ein Ausdruck plötzlichen, schockierten Begreifens überlief sein Gesicht.
»Du willst -«
»Wenn sie es möchte.« Ich berührte das Messer, dessen kurze Klinge mit meinem eigenen Blut befleckt war. »Man kann Kräuter benutzen - oder das hier. Kräuter sind furchtbar riskant - Krämpfe, Hirnschädigungen, Blutungen -, aber es spielt keine Rolle; ich habe nicht genug von der richtigen Sorte.«
»Claire - hast du das schon einmal gemacht?«
Ich blickte auf und stellte fest, daß er mit einem Ausdruck auf mich herabsah, den ich noch nie zuvor in seinem Blick gesehen hatte - Grauen. Ich preßte meine Hände flach auf den Tisch und unterdrückte das Zittern in meinen Fingern. Mit meiner Stimme gelang es mir nicht ganz so gut.
»Würde es für dich etwas ändern, wenn es so wäre?«
Er starrte mich einen Moment lang an und ließ sich dann auf die gegenüberliegende Bank sinken, langsam, als hätte er Angst, etwas kaputtzumachen.
»Du hast es noch nie getan«, sagte er leise. »Ich weiß es.«
»Nein«, sagte ich. Ich starrte auf seine Hand hinunter, die auf der meinen lag. »Nein, habe ich nicht.«
Ich konnte spüren, wie der Druck seiner Hand nachließ; sie entspannte sich und schloß sich um die meine, umfaßte sie. Doch meine eigene Hand lag schlaff in seinem Griff.
»Ich wußte, daß du zu keinem Mord fähig bist«, sagte er.
»Das bin ich wohl. Ich habe schon einen begangen.« Ich sah nicht zu ihm auf, sondern redete mit der Tischplatte. »Ich habe einmal einen Mann umgebracht, einen Patienten in meiner Obhut. Ich habe dir doch von Graham Menzies erzählt.«
Er schwieg einen Augenblick, hielt aber weiter meine Hand fest und drückte sie leicht.
»Ich glaube nicht, daß es dasselbe ist«, sagte er schließlich. »Einem todgeweihten Mann zu dem Tod zu verhelfen, den er sich wünscht… das halte ich für Erbarmen, nicht für Mord. Und vielleicht auch für Pflichterfüllung.«
»Pflichterfüllung?« Jetzt sah ich ihn erschrocken an. Der schockierte Blick war aus seinen Augen gewichen, auch wenn er immer noch ernst war.
»Erinnerst du dich nicht an den Hügel von Falkirk und die Nacht, als Rupert dort in der Kapelle gestorben ist?«
Ich nickte. So etwas vergaß man nicht so leicht - das kalte Dunkel der winzigen Kirche, die gespenstischen Geräusche der Dudelsäcke und der Schlacht weit draußen. Im Inneren die schwarze Luft schwer vom Schweiß angsterfüllter Männer, und Rupert, der langsam zu meinen Füßen auf dem Boden starb, weil er an seinem eigenen Blut erstickte. Er hatte Dougal MacKenzie als seinen Freund und sein Clansoberhaupt gebeten, nachzuhelfen… und Dougal hatte es getan.
»Es muß doch auch die Pflicht eines Arztes sein, denke ich«, sagte Jamie sanft. »Wenn du durch einen Eid verpflichtet bist zu heilen - es aber nicht kannst -, und den Menschen Schmerzen zu ersparen - und es kannst?«
»Ja.« Ich holte tief Luft und krümmte meine Finger um das Skalpell. »Ich bin verpflichtet - und nicht nur durch meinen Eid als Ärztin. Jamie, sie ist meine Tochter. Ich würde alles auf der Welt lieber tun als dies - alles.« Ich sah zu ihm auf und blinzelte, denn ich kämpfte mit den Tränen.
»Glaubst du, ich
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