Der Ruf Der Trommel
andere, schroffere Erinnerungen, an junge Männer in Uniform, die im gebrochenen Licht der Landeplätze ihre Glimmstengel ausdrückten und ihrer Schlacht entgegenrannten, und der Rauchgeruch in der Winterluft war das einzige, was von ihnen übrigblieb.
Tewaktenyonh sprach, den Blick immer noch auf mich gerichtet, und die leise Stimme des Mädchens fiel ein.
»Erzählt mir diesen Traum.«
War es wirklich ein Traum, den ich ihr erzählen würde, oder eine Erinnerung wie diese, herbeigetragen auf den rauchenden Flügeln eines brennenden Baumes? Es spielte keine Rolle; hier waren all meine Erinnerungen Träume.
Ich erzählte es ihr, soweit ich konnte. Die Erinnerung - an den Sturm und meinen Unterschlupf unter den Wurzeln des Lebensbaumes, den Schädel, der zusammen mit dem Stein vergraben war - und den Traum; das Licht auf dem Berg und den Mann mit dem schwarz bemalten Gesicht - und ich verschmolz beides ohne Unterschiede.
Die Alte beugte sich vor, und das Erstaunen in ihren Gesichtszügen war ein Spiegelbild des Erstaunens ihrer Enkeltochter.
»Ihr habt den Feuerträger gesehen?« platzte das Mädchen heraus. »Ihr habt sein Gesicht gesehen?« Sie wich vor mir zurück, als könnte ich ihr gefährlich werden.
Die Alte ergriff gebieterisch das Wort; ihr Erschrecken war einem durchdringenden Blick des Interesses gewichen. Sie stieß das Mädchen an und wiederholte ungeduldig ihre Frage.
»Meine Großmutter fragt, könnt Ihr sagen, wie er ausgesehen hat; was er anhatte?«
»Nichts. Einen Lendenschurz, meine ich. Und er war angemalt.«
»Angemalt? Wie?« fragte das Mädchen auf die scharfe Frage ihrer Großmutter hin.
So sorgfältig, wie ich konnte, beschrieb ich die Körperbemalung des Mannes, den ich gesehen hatte. Das war nicht schwierig; wenn ich die Augen schloß, konnte ich ihn noch genauso deutlich sehen, wie er mir auf dem Berghang erschienen war.
»Und sein Gesicht war schwarz von der Stirn bis zum Kinn«, schloß ich und öffnete die Augen.
Die Dolmetscherin wurde sichtlich nervös, während ich den Mann beschrieb; ihre Lippen zitterten, und sie blickte angstvoll von mir zu ihrer Großmutter. Doch die alte Frau hörte aufmerksam zu, mit suchendem Blick, denn sie versuchte, den Sinn in meinem Gesicht abzulesen, bevor die Worte verzögert ihre Ohren erreichen konnten.
Als ich fertig war, blieb sie still sitzen, den dunklen Blick in meine Augen versenkt. Schließlich nickte sie, hob ihre faltige Hand und berührte die Wampumstränge, die ihr über die Schulter hingen. Myers hatte mir davon erzählt, so daß ich die Geste erkannte. Das Wampum war ihre Familiengeschichte, ihr Amtszeichen; wenn sie es beim Sprechen festhielt, dann war das wie ein Zeugnis, das auf die Bibel abgelegt wurde.
»Am Grünen Maisfest vor so vielen Jahren« - die Dolmetscherin zeigte mir viermal alle zehn Finger - »kam ein Mann aus dem Norden zu uns. Seine Sprache war seltsam, aber wir konnten ihn verstehen, er sprach wie ein Canienga oder vielleicht Onondaga, wollte uns aber seinen Stamm oder sein Dorf nicht nennen - nur seinen Clan,
den der Schildkröte. Er war ein wilder Mann, aber auch ein tapferer. Er war ein guter Jäger und ein Krieger. Oh, ein schöner Mann; alle Frauen haben ihn gern angesehen, aber wir hatten Angst, ihm zu nahe zu kommen.« Tewaktenyonh hielt einen Augenblick inne, und der entfernte Blick in ihrem Gesicht ließ mich zurückrechnen; sie mußte damals eine erwachsene Frau gewesen sein, aber immer noch jung genug, um sich von dem furchterregenden, faszinierenden Fremden beeindrucken zu lassen.
»Die Männer waren nicht so vorsichtig; Männer sind nicht so.« Sie warf einen kurzen, sardonischen Blick auf das Ceilidh , das von Minute zu Minute lauter wurde. »Also setzten sie sich mit ihm zusammen und rauchten mit ihm, tranken Sprossenbier und hörten ihm zu. Er redete vom Mittag bis zur Dämmerung und weiter in der Nacht am Feuer. Sein Gesicht war immer wild, weil er vom Krieg sprach.«
Sie seufzte, und ihre Finger schlossen sich um die purpurfarbenen Muschelstränge.
»Immer Krieg. Nicht gegen die Froschesser aus dem Nachbardorf oder die, die Elchdung essen. Nein, wir sollten unsere Tomahawks gegen die O’seronni erheben. Bringt sie alle um, sagte er, von den Ältesten bis zu den Jüngsten, von der Vertragsgrenze bis zum großen Wasser. Geht zu den Cayuga, schickt Boten zu den Seneca, laßt den Irokesenbund vereint ausziehen. Geht, bevor es zu spät ist, sagte er.«
Eine ihrer zerbrechlichen
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