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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sterben müßten.
    Niemand konnte ihn daran hindern, seine Worte in Taten umzusetzen, und ein paar von den jungen Männern waren Hitzköpfe; sie folgten ihm, egal, was die anderen sagten. Mein Bruder, der Sachem , errichtete sein Medizinzelt und rief die Große Schildkröte um Rat an. Er blieb einen Tag und eine Nacht in dem Zelt. Das Zelt schüttelte sich und schwankte, und es erklangen Stimmen darin, und die Menschen hatten Angst.
    Als mein Bruder aus dem Zelt kam, sagte er, Otterzahn müßte das Dorf verlassen. Er würde tun, was er tun würde, aber wir würden nicht zulassen, daß er die Vernichtung über uns brachte. Er stürzte die Menschen in Uneinigkeit; er müßte gehen.
    Otterzahn wurde wütender, als wir ihn je gesehen hatten. Er stellte sich in die Mitte des Dorfes und brüllte, bis die Adern an seinem Hals vorsprangen und seine Augen rot vor Raserei waren.« Das Mädchen senkte die Stimme. »Er brüllte schreckliche Dinge. Dann wurde er ganz still und wir hatten Angst. Er sagte Dinge, die uns jeden Mut nahmen. Selbst diejenigen, die sich ihm angeschlossen hatten, hatten jetzt Angst vor ihm.
    Er schlief nicht, und er aß nicht. Einen ganzen Tag und eine ganze Nacht und den ganzen nächsten Tag redete er weiter. Er ging wieder und wieder durch das Dorf, blieb an den Türen der Häuser stehen und redete, bis die Bewohner des Hauses ihn vertrieben. Und dann ist er fortgegangen.
    Aber er kam wieder zurück. Und wieder. Er ging fort und versteckte sich im Wald, doch dann war er wieder da, nachts an den Feuern, dünn und hungrig, mit glühenden Augen wie ein Fuchs und er redete ohne Unterlaß. Seine Stimme erfüllte nachts das Dorf, und niemand konnte schlafen.

    Uns dämmerte, daß er von einem bösen Geist besessen war; vielleicht war es Atatarho, aus dessen Kopf Hiawatha die Schlangen gekämmt hatte, vielleicht waren die Schlangen auf der Suche nach einem Zuhause zu diesem Mann gekommen. Schließlich sagte mein Bruder, der Kriegshäuptling, dies müsse ein Ende haben; er müßte gehen, sonst würden wir ihn umbringen.«
    Tewaktenyonh hielt inne. Ihre Finger, die unablässig über das Wampum gestrichen hatten, als zöge sie die Kraft für ihre Erzählung daraus, standen jetzt still.
    »Er war ein Fremder«, sagte sie leise. »Aber ihm war nicht klar, daß er ein Fremder war. Ich glaube, das hat er nie verstanden.«
    Am anderen Ende wurde das Trinkgelage langsam laut; alle Männer lachten jetzt und schwankten vor Belustigung hin und her. Ich konnte die Stimme des Mädchens Emily hören, höher, ebenfalls lachend. Tewaktenyonh blickte mit einem leichten Stirnrunzeln in diese Richtung.
    Mir lief es eiskalt über den Rücken. Ein Fremder. Ein Indianer, seinem Gesicht nach zu urteilen, seiner Sprache nach; seiner etwas seltsamen Aussprache. Ein Indianer - mit Silberfüllungen in den Zähnen. Nein, er hatte es nicht verstanden. Er hatte gedacht, sie wären trotz allem sein Volk. Da er ihre Zukunft kannte, war er gekommen, um sie zu retten. Wie hätte er ernstlich glauben können, daß sie ihm etwas tun würden?
    Doch sie hatten es ernst gemeint. Sie hatten ihn entkleidet, sagte Tewaktenyonh, und ihr Gesichtsausdruck war abwesend. Sie hatten ihn an einen Pfahl in der Dorfmitte gebunden und sein Gesicht mit einer Tinte bemalt, die aus Ruß und Eichengalle bestand.
    »Schwarz bedeutet Tod; alle Gefangenen, die getötet werden sollen, werden so angemalt«, sagte das Mädchen. Sie zog die Augenbraue ein wenig in die Höhe. »Habt Ihr das gewußt, als Ihr dem Mann auf dem Berg begegnet seid?«
    Ich schüttelte stumm den Kopf. Der Opal war in meiner Hand warm geworden, schlüpfrig vom Schweiß.
    Sie hatten ihn eine Zeitlang gefoltert; mit angespitzten Stöcken auf seinen nackten Körper eingestochen, dann mit glühenden Kohlen, so daß Blasen entstanden, die dann aufplatzten, so daß ihm die Haut in Fetzen herabhing. Er hatte es gefaßt ertragen, ohne aufzuschreien, und das hatte ihnen gefallen. Er machte immer noch einen kräftigen Eindruck, daher ließen sie ihn über Nacht stehen, immer noch an den Pfahl gefesselt.
    »Am Morgen war er fort.« Das glatte Gesicht der Frau war voller
Geheimnisse. Niemand würde je erfahren, ob sie erfreut, erleichtert oder besorgt über sein Entkommen gewesen war.
    »Ich sagte, sie sollten ihm nicht folgen, aber mein Bruder hielt es für falsch; er würde nur zurückkommen, wenn wir es nicht zu Ende brächten.«
    Also war eine Gruppe von Kriegern aus dem Dorf aufgebrochen und hatte sich

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