Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
bedurfte, um Zwei Speere aufzuheitern, der ein verschwiegener alter Schurke war und dessen Gesicht wie eine mißmutige Pflaume aussah. Doch bevor die Feier richtig in Gang gekommen war, wurde ich durch die Ankunft eines kleinen Jungen abgelenkt, Sprößling einer meiner Begleiterinnen. Er kam schweigend herein, setzte sich neben seine Mutter und lehnte sich schwer an sie. Sie sah ihn scharf an, legte dann ihre Zwiebeln hin und erhob sich mit einem Ausruf der Besorgnis.
    Der Schein des Feuers fiel auf den Jungen, und ich konnte sofort sehen, daß er auf merkwürdig zusammengekauerte Weise dasaß. Ich erhob mich hastig auf die Knie und schob den Zwiebelkorb beiseite. Ich beugte mich vor, ergriff seinen andern Arm und drehte ihn zu mir hin. Seine linke Schulter war leicht ausgerenkt; er schwitzte, die Lippen vor Schmerzen fest zusammengepreßt.
    Ich wandte mich gestikulierend an seine Mutter, die zögerte und mich stirnrunzelnd ansah. Der Junge machte ein leises Wimmergeräusch, und sie zog ihn fort und hielt ihn fest. Einer plötzlichen Eingabe folgend zog ich Nayawennes Amulett aus meinem Hemd; sie würde nicht wissen, wem es gehörte, würde aber vielleicht erkennen, was es war. So war es dann auch; ihre Augen weiteten sich beim Anblick des kleinen Lederbeutels.
    Der Junge gab keinen Ton mehr von sich, doch ich konnte im Feuerschein sehen, wie ihm der klare Schweiß über die unbehaarte Brust lief. Ich nestelte an dem Band herum, das den Beutel verschlossen hielt, und grub im Inneren nach dem groben, blauen Stein. Pierre sans peur , hatte Gabrielle ihn genannt. Der furchtlose Stein. Ich ergriff die gesunde Hand des Jungen, drückte ihm den Stein fest in die Handfläche und schloß seine Finger darum.
    »Je suis une sorcière« , sagte ich leise. »C’est médecine, là.« Vertrau mir, dachte ich. Hab’ keine Angst. Ich lächelte ihn an.
    Der Junge starrte mich mit runden Augen an; die beiden Frauen am Feuer wechselten Blicke und sahen dann wie eine Person zu der weiter entfernten Feuerstelle hinüber, an der die alte Frau saß.
    Beim Ceilidh wurde geredet; jemand erzählte eine alte Geschichte - ich erkannte das Auf und Ab der formellen Rhythmen. Ich hatte schon öfter gehört, wie Highlander auf ähnliche Weise ihre Geschichten
und Legenden auf Gälisch erzählten; es hörte sich fast genauso an.
    Die Mutter nickte; ihre Schwester schritt schnell der Länge nach durch das Haus. Ich drehte mich nicht um, hörte aber, wie hinter mir das Interesse erwachte, als sie an den anderen Feuerstellen vorbeikam; Köpfe wandten sich und sahen zu uns herüber. Ich hielt meinen Blick auf das Gesicht des Jungen gerichtet, lächelte und hielt seine Hand fest in der meinen.
    Die Schritte der Schwester traten leise hinter mich. Die Mutter des Jungen ließ ihn zögernd los und überließ ihn mir. Die Erlaubnis war erteilt.
    Es war ein leichtes, das Gelenk wieder einzurenken; er war ein kleiner Junge, die Verletzung unwesentlich. Seine Knochen waren leicht unter meiner Hand. Ich lächelte ihn an, während ich das Gelenk abtastete und den Schaden einschätzte. Dann schnell den Arm gedreht, mit dem Ellbogen gekreist, den Arm hochgeschwungen - und es war geschehen.
    Der Junge sah zutiefst überrascht aus. Es war eine höchst zufriedenstellende Operation, da der Schmerz fast augenblicklich nachließ. Er befühlte seine Schulter und lächelte dann schüchtern zurück. Ganz langsam öffnete er die Hand und hielt mir den Stein hin.
    Die kleine Sensation, die ich damit hervorgerufen hatte, nahm meine Aufmerksamkeit eine Zeitlang in Anspruch, während die Frauen näherrückten, den Jungen berührten und inspizierten und ihre Freundinnen herbeizitierten, damit sie einen Blick auf den matten Saphir warfen. Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Whiskygelage an der entfernteren Feuerstelle lenken konnte, waren die Festivitäten schon fortgeschritten. Ian sang auf Gälisch, ziemlich schräg und aufs Geratewohl von einem oder zwei der anderen Männer begleitet, die mit dem verrückten, schrillen Haihai! einfielen, das ich dann und wann auch bei Nayawennes Leuten gehört hatte.
    Als hätte mein Gedanke sie heraufbeschworen, spürte ich einen Blick in meinem Rücken, und als ich mich umdrehte, sah ich, wie mich Tewaktenyonh beständig von ihrer eigenen Feuerstelle am Ende des Langhauses beobachtete. Ich erwiderte ihren Blick und nickte ihr zu. Sie beugte sich zur Seite, um etwas zu einer der jungen Frauen an der Feuerstelle zu sagen, die sich

Weitere Kostenlose Bücher