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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Alderdyces Entscheidung zu hören«, sagte sie und drängte der Mutter des Richters ein freundliches Lächeln und ein Kopfnicken auf. Diese sah zugleich überrascht und dankbar aus, daß man so auf sie zählte.
    Briannas Magen ballte sich zusammen, und sie wischte sich unauffällig die verschwitzten Hände an ihrem Rock ab. Da waren sie,
alle am selben Ort - die vier Steine, von denen sie gedacht hatte, es würde ein Leben lang dauern, sie zu finden.
    Mrs. Alderdyce stieß gerade ihren arthritischen Finger in Richtung des Smaragds und erklärte die Vorzüge ihrer Wahl, doch Brianna achtete nicht darauf, was die Frau sagte. Sie sah Anwalt Forbes an, dessen rundes Gesicht immer noch Selbstzufriedenheit widerspiegelte. Ein plötzlicher, wilder Impuls stieg in ihr auf.
    Wenn sie ja sagte, jetzt, heute nacht, solange er noch alle vier Steine hatte …würde sie sich dazu durchringen können? Ihn zu umgarnen, ihn zu küssen, ihn in Sicherheit zu wiegen - und dann die Steine zu stehlen?
    Ja, das würde sie. Und was dann? Mit ihnen in die Berge flüchten? Jocasta blamiert und den Distrikt in Aufruhr zurücklassen, weglaufen und sich verstecken wie eine gemeine Diebin? Und wie sollte sie zu den Westindischen Inseln gelangen, bevor das Baby kam? Sie rechnete im Kopf nach und wußte genau, daß es Wahnsinn war, und dennoch - es war zu schaffen.
    Die Steine glitzerten und funkelten, Versuchung und Erlösung. Alle waren nähergetreten, um einen Blick auf sie zu werfen, die Köpfe unter bewunderndem Gemurmel über den Tisch gebeugt, und sie selbst fand sich für den Augenblick unbeachtet.
    Sie konnte sich verstecken, dachte sie, während sich die Schritte des Plans unausweichlich vor ihrem inneren Auge entfalteten, ohne daß sie es wirklich wollte. Ein Pferd stehlen, sich durch das Yadkintal ins Hinterland durchschlagen. Trotz der Nähe des Feuers zitterte und fror sie bei dem Gedanken an eine Flucht durch den winterlichen Schnee. Doch ihr Verstand arbeitete weiter.
    Sie konnte sich in den Bergen verstecken, im Blockhaus ihrer Eltern, und warten, bis sie mit Roger zurückkehrten. Falls sie zurückkehrten. Falls sie Roger mitbrachten. Ja, und was, wenn das Baby vorher kam und sie dort auf dem Berg war, ganz allein, ohne irgend jemanden oder irgend etwas, das ihr helfen konnte, außer einer Handvoll gestohlenem Glitter?
    Oder sollte sie unverzüglich nach Wilmington reiten und sich ein Schiff zu den Westindischen Inseln suchen? Wenn Jocasta recht hatte, dann würde Roger nie mehr zurückkehren. Opferte sie gerade ihre einzige Chance zur Rückkehr, um auf einen Mann zu warten, der tot war - oder der, wenn er nicht tot war, sie und das Kind vielleicht abweisen würde?
    »Miss Fraser?«
    Anwalt Forbes wartete, vor Erwartung aufgeblasen.

    Sie holte tief Luft und spürte, wie ihr unter den gelösten Korsettstangen der Schweiß zwischen den Brüsten hinunterlief.
    »Sie sind alle wunderschön«, sagte sie, überrascht darüber, wie kühl sie das sagen konnte. »Ich finde es unmöglich, zwischen ihnen zu wählen - aber ich habe auch keine besondere Vorliebe für Edelsteine. Ich habe einen sehr schlichten Geschmack, fürchte ich.«
    Sie sah, wie ein Lächeln in Mr. MacNeills Gesicht aufflackerte und Forbes’ runde Wangen tiefrot anliefen, doch sie kehrte den Steinen mit einem höflichen Wort den Rücken.
    »Ich denke, wir werden nicht mit dem Essen warten«, murmelte Jocasta ihr ins Ohr. »Falls Seine Lordschaft aufgehalten wurde …«
    Wie auf ein Stichwort erschien Ulysses in der Tür, elegant in voller Livree, wohl um das Abendessen anzukündigen. Doch statt dessen sagte er in seiner wohlklingenden Stimme, die problemlos das Geplapper übertönte, »Lord John Grey, Ma’am«, und trat beiseite.
    Jocasta stieß einen Seufzer der Genugtuung aus und drängte Brianna vorwärts auf die schlanke Gestalt zu, die in der Tür stand.
    »Gut. Du wirst seine Tischgenossin sein, Liebe.«
    Brianna warf noch einen Blick auf den Tisch am Kamin, doch die Steine waren fort.
     
    Lord John überraschte sie. Sie hatte ihre Mutter von Lord John Grey erzählen hören - dem Soldaten, dem Diplomaten, dem Edelmann - und eine hochgewachsene und imposante Persönlichkeit erwartet. Statt dessen war er fast einen Kopf kleiner als sie, feinknochig und schmal, mit großen, schönen Augen und von einer hellhäutigen Attraktivität, die nur durch den bestimmten Ausdruck von Mund und Kinn vor der Mädchenhaftigkeit bewahrt wurde.
    Er hatte bei ihrem Anblick erschrocken

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