Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Alle: ihre Mutter, ihr Vater, Roger. Auch, wenn sich diese Überzeugung eher so anfühlte, als bestünde sie aus Federn denn aus Eisen … so hegte sie sie dennoch. Und sie würde sich daran klammern wie an ein Floß, bis man ihre Finger mit Gewalt ablöste und sie versinken ließ.
    Die Tür des kleinen Salons öffnete sich, und Jocastas hochgewachsene, schlanke Gestalt erschien als Silhouette vor dem beleuchteten Flur.
    »Brianna?« Das blasse ovale Gesicht wandte sich zielsicher dem Sofa zu; erriet sie nur, wo sie sie hingelegt hatten, oder konnte sie Brianna atmen hören?
    »Ich bin hier, Tante Jocasta.«
    Jocasta kam ins Zimmer, gefolgt von Lord John, und Ulysses bildete mit einem Teetablett die Nachhut.
    »Wie geht es dir, Kind? Sollte ich besser Dr. Fentiman rufen lassen?« Sie runzelte die Stirn und legte Brianna ihre feingliedrige Hand auf die Stirn.
    »Nein!« Brianna hatte Dr. Fentiman bereits kennengelernt, eine kleine, feuchtfingrige, groteske Gestalt von einem Mann, der ein starkes Vertrauen in Laugenkuren und Blutegel hegte; sein Anblick ließ
sie erschauern. »Äh … nein. Danke, aber mir geht es wirklich wieder gut; mir ist nur einen Moment lang übel geworden.«
    »Ah, gut.« Jocasta richtete ihre blinden Augen auf Lord John. »Seine Lordschaft reist morgen früh nach Wilmington; er würde dich gern sehen, wenn du dich wohl genug fühlst.«
    »Ja, natürlich.« Sie setzte sich auf und ließ ihre Füße zu Boden schwingen. Also würde der Lord nicht bleiben; das würde Jocasta enttäuschen, sie selbst aber nicht. Dennoch, sie konnte noch ein Weilchen höflich sein.
    Ulysses stellte das Tablett ab, schlich auf leisen Sohlen hinter ihrer Tante zur Tür hinaus und ließ sie allein.
    Er zog einen bestickten Hocker herbei und setzte sich darauf, ohne auf eine Einladung zu warten.
    »Geht es Euch wirklich gut, Miss Fraser? Ich hege nicht den Wunsch, Euch zwischen die Teetassen hingestreckt zu sehen.« Ein Lächeln zog an seinem Mundwinkel, und sie errötete.
    »Wunderbar«, sagte sie kurz. »Wollt Ihr mir etwas mitteilen?«
    Ihre Abruptheit störte ihn nicht.
    »Ja, aber ich dachte, Ihr würdet es vielleicht vorziehen, wenn ich es nicht vor den Leuten erwähne. Ich habe gehört, Ihr interessiert Euch für den Aufenthaltsort eines Mannes namens Roger Wakefield?«
    Sie hatte sich stark gefühlt; bei diesen Worten drohte der Anflug von Schwäche zurückzukehren.
    »Ja. Woher wißt Ihr - wißt Ihr, wo er ist?«
    »Nein.« Er sah die Veränderung in ihrem Gesicht und nahm ihre Hand zwischen die seinen. »Nein, es tut mir leid. Euer Vater hat mir geschrieben, vor etwa drei Monaten, und mich gebeten, ihm bei der Suche nach diesem Mann behilflich zu sein. Ihm war der Gedanke gekommen, daß Mr. Wakefield vielleicht zwangsrekrutiert worden war, als er sich in irgendeinem Hafen aufhielt, und daß er jetzt vielleicht auf einem der Schiffe Seiner Majestät auf See sein könnte. Er fragte, ob ich vielleicht meine Kontakte in Marinekreisen nutzen könnte, um herauszufinden, ob Mr. Wakefield in der Tat ein solches Schicksal zugestoßen ist.«
    Eine erneute Welle der Schwäche durchlief sie, diesmal mit Bedauern versetzt, als sie begriff, welche Mühe sich ihr Vater gegeben hatte, um Roger für sie zu finden.
    »Er ist auf keinem Schiff.«
    Er sah überrascht aus, als er die Sicherheit in ihrem Tonfall hörte.
    »Ich habe keinerlei Hinweise dafür gefunden, daß er irgendwo zwischen Jamestown und Charleston zwangsweise rekrutiert worden
wäre. Doch es besteht die Möglichkeit, daß man ihn am Vorabend der Abreise ergriffen hat, in welchem Fall seine Anwesenheit in der Mannschaft erst registriert würde, wenn das Schiff einen Hafen anläuft. Das ist der Grund, weshalb ich morgen nach Wilmington reise, um Nachforschungen anzustellen -«
    »Das braucht Ihr nicht. Ich weiß, wo er ist.« Mit so wenigen Worten wie möglich machte sie ihn mit den grundsätzlichen Fakten vertraut.
    »Jamie - Euer Vater - das heißt, Eure Eltern - sind fortgegangen, um diesen Mann aus den Händen der Irokesen zu retten?« Mit erschüttertem Gesichtsausdruck drehte er sich um, goß zwei Tassen Tee ein und reichte ihr eine davon, ohne sie zu fragen, ob sie sie haben wollte.
    Sie hielt die Tasse zwischen ihren Händen und fand schwachen Trost in der Wärme; doch noch mehr tröstete es sie, daß sie offen mit Lord John sprechen konnte.
    »Ja. Ich wollte mit ihnen gehen, aber -«
    »Ja, ich verstehe.« Er blickte auf ihren Bauch und hustete. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher