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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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selbst gesagt - er ist vierzig und unverheiratet.«
    »Ihr meint, er - aber er ist doch Richter!« Noch im selben Moment, als sie ihren entsetzten Ausruf tat, begriff sie dessen Idiotie und schlug sich eine Hand vor den Mund, während sie heftig errötete. Lord John lachte, wenn auch nicht ohne ironischen Unterton.
    »Um so eindeutiger«, sagte er. »Ihr habt völlig recht; er könnte sich jedes Mädchen im Distrikt aussuchen. Wenn er sich dagegen entschieden hat …« Er hielt bedächtig inne und hob dann das Glas zu einem ironischen Toast in ihre Richtung. »Ich glaube, daß Mrs. Alderdyce völlig klar ist, daß eine Ehe ihres Sohnes mit Euch der beste - vielleicht sogar der einzige - Weg ist, auf dem sie mit dem Enkelkind rechnen kann, das sie so heftig begehrt.«
    »Verdammt!« Sie konnte nicht einen richtigen Schachzug machen, dachte sie verzweifelt. »Es spielt keine Rolle, was ich tue. Ich bin verdammt. Sie werden mich mit irgend jemandem verheiraten, egal, was ich tue!«
    »Ihr müßt mir gestatten, das zu bezweifeln«, sagte er. Sein Lächeln zog sich ein wenig verlegen zur Seite. »Nach dem, was ich von Euch gesehen habe, habt Ihr die Offenheit Eurer Mutter und das Ehrgefühl Eures Vaters. Jede einzelne dieser Eigenschaften würde schon ausreichen, um Euch davor zu bewahren, in eine solche Falle zu gehen.«
    »Redet bloß nicht von der Ehre meines Vaters«, sagte sie scharf. »Er hat mich in diesen Schlamassel hineingebracht!«
    Sein Blick senkte sich mit unverhüllter Ironie auf ihre Taille.
    »Ihr schockiert mich«, sagte er höflich, ohne auch nur im geringsten einen schockierten Eindruck zu machen.
    Sie spürte, wie ihr erneut das Blut ins Gesicht schoß, heißer als zuvor.

    »Ihr wißt ganz genau, daß es nicht das ist, was ich meine!«
    Er verbarg sein Lächeln in seinem Sherryglas und sah sie mit gekräuselten Augenwinkeln an.
    »Ich bitte um Verzeihung, Miss Fraser. Was habt Ihr dann gemeint?«
    Sie trank einen großen Schluck Tee, um ihre Verwirrung zu überspielen, und spürte, wie ihr die beruhigende Wärme durch den Hals in die Brust rann.
    »Ich meine«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen, » diesen Schlamassel hier; daß ich wie ein Stück Zuchtvieh mit einem fragwürdigen Stammbaum aufs Podest gestellt werde. Daß man mich im Genick packt und hochhält wie ein verwaistes Kätzchen in der Hoffnung, daß mich jemand aufnimmt. Daß ich - daß ich überhaupt hier allein bin«, schloß sie, und ihre Stimme zitterte unerwartet.
    »Warum seid Ihr hier allein?« fragte Lord John ganz sanft. »Ich hätte gedacht, Eure Mutter wäre -«
    »Das wollte sie auch. Ich habe sie nicht gelassen. Weil sie - also er - oh, es ist alles so ein verfluchter Schlamassel !« Sie ließ den Kopf in ihre Hände sinken und starrte am Boden zerstört auf die Tischplatte. Sie weinte nicht, war aber auch nicht weit davon entfernt.
    »Das sehe ich wohl.« Lord John beugte sich vor und stellte sein leeres Glas auf das Tablett zurück. »Es ist sehr spät, meine Liebe, und wenn Ihr mir die Beobachtung verzeiht, Ihr braucht dringend Ruhe.« Er stand auf und legte ihr sacht die Hand auf die Schulter; seltsamerweise kam sie ihr einfach nur freundlich vor, nicht herablassend, wie es vielleicht die Hand eines anderen Mannes gewesen wäre.
    »Da es so aussieht, als sei meine Reise nach Wilmington überflüssig, werde ich wohl die freundliche Einladung Eurer Tante annehmen und ein Weilchen hierbleiben. Wir werden uns noch öfter unterhalten und dann sehen, ob sich Eure Situation nicht zumindest lindern läßt.«

59
    Erpressung
    Der Nachtstuhl war großartig, ein wunderbares, aus glattem Walnußholz geschnitztes Stück, das das Schöne mit dem Praktischen verband. Besonders praktisch in einer regnerischen, kalten Nacht wie dieser hier. Schläfrig fingerte sie im Dunkeln an seinem Deckel herum, von den Blitzen beleuchtet, deren Licht durchs Fenster fiel, dann setzte sie sich hin und seufzte vor Erleichterung, als der Druck in ihrer Blase nachließ.
    Offenbar erfreut über den zusätzlichen Platz, der dadurch entstand, vollführte Osbert eine Reihe von trägen Purzelbäumen und ließ ihren Bauch unter dem weißen Flanellnachthemd geisterhafte Wellen schlagen. Sie stand langsam auf - sie tat jetzt fast alles langsam - und fühlte sich angenehm vom Schlaf betäubt.
    Sie blieb neben ihrem zerwühlten Bett stehen und blickte hinaus auf die kahle Schönheit der Hügel und der regengepeitschten Bäume. Das Fensterglas fühlte sich

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