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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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der Mütter ist dort zusammengetreten.«
    Sie hatten mir nicht alles erzählt; das taten sie nie. Doch am Ende der langen Stunden voller Zeremonien und Diskussionen hatte das Mädchen, das Englisch sprach, mir alles berichtet, was sie mich wissen lassen wollten, bevor sie mich zu Jamie zurückschickten.
    »Ein paar der jungen Männer haben das Whiskyversteck gefunden«, sagte ich. »Sie haben ihn gestern ins Dorf gebracht und angefangen zu trinken. Die Frauen waren in dem Glauben, sie hätten nichts Unredliches vor, sie hielten den Handel für abgeschlossen. Doch dann entstand unter ihnen ein Streit, kurz bevor sie das Feuer anzündeten, um - um den Priester zu exekutieren. Ein Kampf brach aus, einige der Männer rannten in die Menge und - eins hat das andere ergeben.« Ich rieb mir fest mit der Hand über das Gesicht und versuchte, meinen Kopf so klar zu halten, daß ich sprechen konnte.
    »Ein Mann ist bei dem Kampf umgekommen.« Ich sah Roger an. »Sie glauben, du hast ihn umgebracht; ist das so?«
    Er schüttelte den Kopf und ließ müde die Schultern hängen.
    »Ich weiß nicht. Was wollen sie deswegen unternehmen?«
    »Tja, sie haben lange gebraucht, um zu einem Entschluß zu kommen, und es ist noch nicht endgültig geregelt; sie haben den Hauptrat
informiert, aber der Sachem hat sich noch nicht entschieden.« Ich holte tief Luft.
    »Sie werden dich nicht umbringen, weil der Whisky gestohlen wurde und er als Preis für dein Leben angeboten war. Aber da sie sich entschlossen haben, uns nicht umzubringen, um ihre Toten zu rächen, adoptiert der Stamm statt dessen normalerweise einen Feind als Ersatz für den Toten.«
    Das schüttelte Roger aus seiner Dumpfheit.
    »Mich adoptieren? Sie wollen mich behalten?«
    »Einen von uns. Einen von euch. Ich denke nicht, daß ich ein passender Ersatz wäre, da ich kein Mann bin.« Ich versuchte zu lächeln, scheiterte aber kläglich. Sämtliche Muskeln in meinem Gesicht waren taub geworden.
    »Dann muß ich es sein«, sagte Jamie ruhig.
    Rogers Kopf fuhr erschrocken auf.
    »Ihr habt es selbst gesagt; wenn die Vergangenheit nicht zu ändern ist, dann wird mir nichts geschehen. Laßt mich hier, und ich werde fliehen und nach Hause kommen, sobald es geht.«
    Er legte mir die Hand auf den Arm, bevor ich protestieren konnte.
    »Du und Ian, ihr bringt MacKenzie zu Brianna zurück.« Er sah Roger an, sein Gesicht war unergründlich. »Schließlich«, sagte er leise, »seid ihr zwei diejenigen, die sie braucht.«
    Roger öffnete sofort den Mund, um zu widersprechen, doch ich platzte ihm dazwischen.
    »Möge der Herr mich vor sturen Schotten bewahren!« sagte ich. Ich funkelte sie beide an. »Sie haben sich noch nicht entschieden. Das ist nur das, was der Rat der Frauen sagt. Also hat es keinen Sinn, darüber zu diskutieren, bevor wir es nicht mit Sicherheit wissen. Und was Dinge angeht, die wir nicht mit Sicherheit wissen«, sagte ich in der Hoffnung, sie abzulenken, »wo ist Ian?«
    Jamie starrte mich an.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er und ich sah, wie eine Welle seinen Hals durchlief, als er schluckte. »Aber ich bete zu Gott, daß er unbehelligt bei diesem Mädchen im Bett ist.«
     
    Niemand kam. Die Nacht verstrich ruhig, obwohl keiner von uns gut schlief. Aus purer Erschöpfung döste ich immer wieder ein und erwachte jedesmal, wenn draußen ein Geräusch erklang. Meine Träume waren ein lebhaftes, verrücktes Flickwerk aus Blut und Feuer und Wasser.
    Es wurde Mittag, bevor wir Stimmen näherkommen hörten. Mein
Herz tat einen Satz, als ich eine davon erkannte, und Jamie war auf den Beinen, bevor sich die Türklappe hob.
    »Ian? Bist du’s?«
    »Aye, Onkel Jamie. Ich bin’s.«
    Seine Stimme klang seltsam; atemlos und unsicher. Er trat in das Licht, das durch den Rauchabzug fiel, und ich schnappte nach Luft, denn ich fühlte mich, als hätte mich jemand in den Magen geboxt.
    Man hatte ihm das Haar von den Seiten seines Schädels gezupft; der Rest stand in einem dichten Kamm von seiner Kopfhaut ab, und ein langer Schwanz hing ihm über den Rücken. Ein Ohr war frisch durchstochen worden und trug einen silbernen Ohrring.
    Sein Gesicht hatte man tätowiert. Doppelte Halbmondlinien aus schwarzen Pünktchen, die meisten immer noch blutverkrustet, liefen ihm über beide Wangenknochen und trafen sich auf seinem Nasenbein.
    »Ich - kann nicht lange bleiben, Onkel Jamie«, sagte Ian. Unter den tätowierten Linien sah er blaß aus, doch er stand aufrecht. »Ich habe gesagt, sie

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