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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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prophezeit. Die Nadeln, die sie im Mund hatte, zitterten empört, als ich darauf bestand, das übliche schwere Korsett durch ein leichteres, fischbeinverstärktes Mieder zu ersetzen, das die Brüste anhob, ohne zu kneifen.
    »Entschuldigung.« Ich steckte die feuchte Locke, die den Ärger verursacht hatte, in das Leinentuch, das um meinen Kopf gewickelt war.
    Da die Gästequartiere in Mr. Lillingtons großem Haus vollständig von den Begleitern des Gouverneurs belegt waren, hatte man mich in Vetter Edwins winziges Speicherzimmer über dem Stall verwiesen, und die Anprobe wurde von gedämpften Stampf- und Kaugeräuschen aus der unteren Etage begleitet, in die sich noch die monotonen Melodien mischten, die der Stallknecht beim Ausmisten pfiff.
    Trotzdem konnte ich mich nicht beklagen: Mr. Lillingtons Ställe waren um einiges sauberer als das Gasthaus, in dem Jamie und ich unsere Begleiter zurückgelassen hatten, und Mrs. Lillington hatte
großzügigerweise dafür gesorgt, daß ich mit einer großen Schüssel heißen Wassers und einem Stück Lavendelseife versorgt wurde - was mir noch viel wichtiger war als das frische Kleid. Hoffentlich bekam ich nie wieder einen Pfirsich zu Gesicht.
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um aus dem Fenster zu sehen, falls Jamie kam, gab aber auf, als die Schneiderin, die gerade meinen Rocksaum absteckte, ein Protestgeräusch von sich gab.
    Das Kleid selbst war gar nicht übel: Es war aus cremefarbener Seide und ganz schlicht geschnitten, hatte halblange Ärmel, einen weinrot gestreiften Reifrock, und von der Taille bis zum Ausschnitt verliefen zwei Reihen weinroter Seidenrüschen. Wenn man die Brüsseler Spitze, die ich gekauft hatte, an die Ärmel nähte, würde es genügen, dachte ich, auch wenn der Stoff nicht vom Feinsten war.
    Ich war anfangs über den Preis überrascht gewesen, denn er kam mir bemerkenswert niedrig vor, doch jetzt sah ich, daß der Stoff grober war als üblich, und hier und da fing sich das Licht in einem Knoten. Neugierig rieb ich ihn zwischen den Fingern. Ich kannte mich mit Seide nicht besonders aus, aber ein chinesischer Bekannter hatte einmal den Großteil eines faulen Nachmittags auf See damit verbracht, mich in die Lehre von den Seidenraupen und den feinen Varianten ihrer Erzeugnisse zu unterweisen.
    »Wo kommt diese Seide her?« fragte ich. »Es ist keine chinesische Seide; ist sie aus Frankreich?«
    Die Schneiderin blickte auf, und ihre Unfreundlichkeit wurde kurzfristig von Interesse abgelöst.
    »Nein, das stimmt. Das heißt, sie wurde in South Carolina hergestellt. Da ist eine Dame, sie heißt Mrs. Pickney, die hat die Hälfte ihres Landes mit Maulbeerbäumen bepflanzt und darauf Seidenraupen gezüchtet. Der Stoff ist vielleicht nicht ganz so fein wie chinesische Seide«, gab sie zögernd zu, »aber er ist auch nicht halb so teuer.«
    Sie blinzelte zu mir hoch und nickte langsam.
    »Das wird wohl passen, und die Rüschen sind schön; sie betonen Eure Wangen. Aber verzeiht bitte, Madame. Ihr müßt etwas über dem Ausschnitt tragen, damit Ihr nicht so nackt ausseht. Wenn Ihr schon kein Häubchen und keine Perücke wollt, habt Ihr dann vielleicht ein Halsband?«
    »Oh, ein Band!« sagte ich, und es fiel mir wieder ein. »Ja, was für eine gute Idee. Seht in meinen Korb da drüben, da findet Ihr ein Stück, das passen sollte.«
    Gemeinsam schafften wir es, mein Haar aufzutürmen. Wir banden
es locker mit dem dunkelrosa Band zusammen, während mir ein paar feuchte Locken - ich konnte sie nicht daran hindern - über Ohren und Stirn fielen.
    »Es ist doch hoffentlich nicht zu jugendlich für mich, oder?« fragte ich, denn mir kamen plötzlich Zweifel. Ich fuhr mit der Hand über die Vorderseite des Mieders, doch es schmiegte sich glatt - und wie angegossen - um meine Taille.
    »O nein, Madame«, versicherte mir die Schneiderin. »Es steht Euch gut, wenn ich das sagen darf.« Sie runzelte nachdenklich die Stirn. »Nur der Ausschnitt ist immer noch ein bißchen nackt. Habt Ihr denn überhaupt keinen Schmuck?«
    »Nur das hier.« Wir drehten uns überrascht um, als Jamie den Kopf einzog und zur Tür hereinkam; keine von uns hatte ihn kommen hören.
    Er hatte es irgendwie geschafft, zu baden und sich ein sauberes Hemd und Halstuch zu besorgen; darüber hinaus hatte ihm jemand das Haar gekämmt und zu einem ebenmäßigen Zopf geflochten, der mit dem neuen blauen Seidenband zusammengebunden war. Sein teurer Rock war nicht nur gebürstet, sondern auch mit einem

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