Der Ruf Der Trommel
Ich habe dir doch gesagt, daß es besser gewesen wäre zu reiten, Onkel Jamie.«
»Keine Sorge, Ian«, versicherte ihm sein Onkel und ließ meinen Nacken los. Er grinste seinen Neffen an. »Du kommst schon noch dran mit Staken - und dann bringst du uns sicher bis zum Abend nach Cross Creek, aye?«
Ian warf seinem Onkel einen säuerlichen Blick zu und ging davon, um Kapitän Freeman mit Fragen über Indianer und wilde Tiere zu löchern.
»Ich hoffe, der Kapitän wirft Ian nicht irgendwann über Bord«, sagte ich und beobachtete, wie Freeman seine mageren Schultern defensiv hochzog, als Ian sich näherte. Mein Nacken und meine Schultern glühten von der ihnen erwiesenen Aufmerksamkeit; ebenso wie die weiter südlich gelegenen Regionen. »Danke für die Massage», sagte ich und zog eine Augenbraue hoch.
»Du kannst dich revanchieren, Sassenach - nach Anbruch der Dunkelheit.« Er versuchte sich an einem lüsternen Blick, jedoch ohne Erfolg. Er war nicht in der Lage, nur ein Auge zu schließen, was sich nachteilig auf seine Fähigkeit zu anzüglichem Gezwinker auswirkte, doch ich verstand ihn trotzdem.
»Ach ja?« sagte ich und klimperte mit den Wimpern. »Und was genau hättest du nach Anbruch der Dunkelheit gern massiert?«
»Nach Anbruch der Dunkelheit?« fragte Ian, der wie ein Schachtelteufel wieder auftauchte, bevor sein Onkel antworten konnte. »Was passiert denn dann?«
»Dann ertränke ich dich und zerschneide dich in lauter kleine Fischköder«, teilte ihm sein Onkel mit. »Lieber Himmel, kannst du denn keine Ruhe geben, Ian? Du rumpelst hier herum wie eine Hummel in einer Flasche. Leg dich in die Sonne und schlaf ein bißchen, wie dein Hund - der ist wenigstens vernünftig.« Er nickte Rollo zu, der mit halbgeschlossenen Augen wie ein Teppich auf dem Kabinendach ausgebreitet lag und ab und zu mit einem Zucken des Ohrs eine Fliege verscheuchte.
»Schlafen?« Ian sah seinen Onkel ungläubig an. »Schlafen?«
»Das machen normale Menschen, wenn sie müde sind«, erklärte ich ihm und unterdrückte ein Gähnen. Die zunehmende Hitze und die langsamen Bewegungen des Bootes waren extrem einschläfernd nach der kurzen Nacht - wir waren schon vor der Dämmerung aufgewesen. Unglücklicherweise sahen die schmalen Bänke und die rauhen Deckplanken der Sally Ann auch nicht einladender aus als die Bank im Wirtshaus.
»Aber ich bin kein bißchen müde, Tante Claire!« versicherte mir Ian. »Ich glaube, ich werd’ tagelang nicht schlafen.«
Jamie beäugte seinen Neffen.
»Wir werden ja sehen, ob du das nach deiner Schicht am Staken immer noch denkst. Bis dahin weiß ich vielleicht etwas, womit du dich beschäftigten kannst. Warte einen Moment -« Er brach ab und verschwand in der niedrigen Kabine, wo ich ihn im Gepäck kramen hörte.
»Gott, ist das heiß!« sagte Ian und fächelte sich Luft zu. »Was sucht Onkel Jamie denn?«
»Das weiß der Himmel«, sagte ich. Jamie hatte eine große Kiste mit an Bord gebracht, über deren Inhalt er nur höchst ausweichende Auskünfte erteilt hatte. Als ich in der letzten Nacht einschlief, hatte er Karten gespielt, und ich konnte mir vorstellen, daß er dabei irgendeinen peinlichen Gewinn gemacht hatte, den er nur ungern Ians Spott preisgeben wollte.
Ian hatte recht, es war heiß. Ich konnte nur hoffen, daß später ein Lüftchen aufkommen würde; im Augenblick hing das Segel schlaff wie ein Spültuch herunter, und mein Hemd klebte feucht an meinen Beinen. Mit einem gemurmelten Wort drückte ich mich an Ian vorbei und steuerte den Bug an, wo das Wasserfaß stand.
Fergus stand mit verschränkten Armen auf dem Vordeck, und mit
seinem strengen, gutaussehenden Profil, das flußaufwärts wies, und dem dichten, zurückgekämmten schwarzen Haar gab er eine großartige Galionsfigur ab.
»Ah, Milady!« Er grüßte mich mit einem Lächeln, das seine weißen Zähne aufblitzen ließ. »Ist dies nicht ein großartiges Land?«
Im Augenblick war die Aussicht nicht besonders großartig, denn die Landschaft bestand aus einer endlosen Schlammbank, die in der Sonnenhitze stank, und einer großen Ansammlung von Möwen und Meeresvögeln, die einen Riesenaufstand machten, weil sie in Ufernähe irgendeinen streng riechenden Fund gemacht hatten.
»Milord sagt, daß jeder Mann Anspruch auf zwölf Hektar Land erheben kann, wenn er ein Haus darauf baut und sich verpflichtet, es zehn Jahre lang zu bestellen. Stellt Euch das vor - zwölf Hektar!« Er ließ die Worte auf der Zunge zergehen und
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