Der Ruf Der Trommel
kostete sie beeindruckt aus. Ein französischer Bauer würde sich wahrscheinlich schon mit einem glücklich schätzen.
»Ja, schon«, sagte ich etwas zweifelnd. »Ich denke aber, du mußt dir deine zwölf Hektar gut aussuchen. Manche Gegenden hier eignen sich nicht besonders gut zum Ackerbau.« Ich wagte lieber keine Prognose darüber, wie schwer es für Fergus werden würde, der Wildnis einhändig eine Farm und ein Zuhause abzuringen, egal, wie fruchtbar der Boden war.
Er schenkte mir sowieso keine Beachtung. Seine Augen leuchteten verträumt.
»Vielleicht kann ich bis zum Jahresende ein kleines Haus bauen«, murmelte er vor sich hin. »Dann könnte ich im Frühling Marsali und das Kind nachkommen lassen.« Seine Hand wanderte automatisch zu der nackten Stelle auf seiner Brust, wo das grünliche Medaillon des heiligen Dismas seit seiner Kindheit gehangen hatte.
Er war in Georgia zu uns gestoßen. Seine junge und schwangere Frau hatte er in der Obhut von Freunden auf Jamaika zurückgelassen. Er hatte mir versichert, daß er keine Angst um ihre Sicherheit hatte, denn er hatte sie auch noch seinem Schutzheiligen anvertraut und die strenge Anweisung erteilt, das zerbeulte Medaillon nicht von ihrem Hals zu entfernen, bevor sie nicht sicher entbunden hatte.
Ich wäre zwar nicht darauf gekommen, daß Mütter und Säuglinge unter die Zuständigkeit des Schutzheiligen der Diebe fielen, doch Fergus hatte seine Kindheit als Taschendieb verbracht, und sein Vertrauen in Dismas kannte keine Grenzen.
»Wirst du das Baby Dismas nennen, wenn es ein Junge ist?«
»Nein«, sagte er völlig ernst. »Ich werde ihn Germain nennen. Germain
James Ian Aloysius Fraser - James Ian nach Milord und Monsieur«, erklärte er, denn so bezeichnete er Jamie und Ian Murray, Jamies Schwager.
»Marsali war für Aloysius«, fügte er herablassend hinzu und ließ keinen Zweifel daran, daß er mit der Wahl eines solchen Allerweltsnamens nichts zu tun hatte.
»Und wenn es ein Mädchen wird?« fragte ich und hatte plötzlich eine lebhafte Erinnerung. Vor über zwanzig Jahren hatte Jamie mich durch die Steine zurückgeschickt. Schwanger. Er war fest davon überzeugt, daß das Kind das ich trug, ein Junge war, und das letzte, was er zu mir gesagt hatte, war: »Nenne ihn Brian nach meinem Vater.«
»Oh.« Auch Fergus hatte sich anscheinend nicht mit dieser Möglichkeit auseinandergesetzt, denn er wirkte leicht fassungslos. Dann hellte sich sein Gesicht auf.
»Genevieve«, sagte er entschlossen. »Nach Madame«, womit er Jenny Murray meinte, Jamies Schwester. »Genevieve Claire, denke ich«, fügte er mit einem weiteren strahlenden Lächeln hinzu.
»Oh«, sagte ich aufgeregt und seltsam geschmeichelt. »Schön. Danke. Bist du sicher, daß du nicht nach Jamaika zurückfahren solltest, um bei Marsali zu sein, Fergus?« fragte ich, um das Thema zu wechseln.
Er schüttelte entschieden den Kopf.
»Milord könnte mich brauchen«, sagte er. »Und hier kann ich mich nützlicher machen als dort. Babys sind Frauensache, und wer weiß, welche Gefahren hier in der Fremde auf uns zukommen?«
Wie um die rhetorische Frage zu beantworten, stiegen die Möwen in einer kreischenden Wolke auf, kreisten über dem Fluß und den Schlammbänken und gaben den Gegenstand ihres Heißhungers preis.
Ein stabiler Kiefernpfosten war in den Uferschlamm getrieben worden. Seine Spitze befand sich etwa einen halben Meter unterhalb der dunklen Linie, die den höchsten Stand der Flut anzeigte. Das Wasser stand noch tief, und der Pfosten war kaum mehr als halb überschwemmt. Über dem dahinplätschernden Schlammwasser hing die Gestalt eines Mannes, der mit einer Kette um die Brust an den Pfosten gefesselt war. Besser gesagt um das, was einmal seine Brust gewesen war.
Ich konnte nicht sagen, wie lange er schon dort hing, doch seinem Aussehen nach war es schon lange. Ein schmaler Streifen seiner Kopfhaut war mitsamt den Haaren abgerissen, darunter war sein weißer Schädelknochen freigelegt. Unmöglich zu sagen, wie er ausgesehen hatte; die Vögel hatten ganze Arbeit geleistet.
Neben mir murmelte Fergus einen französischen Fluch vor sich hin.
»Ein Pirat«, sagte Kapitän Freeman lakonisch, während er an mir vorbeiging und gerade lange genug stehenblieb, um einen Schuß braunen Tabaksafts ins Wasser zu spucken. »Wenn sie nicht zum Hängen nach Charleston gebracht werden, bindet man sie manchmal bei Ebbe an so einen Pfahl und überläßt sie dem Fluß.«
»Gibt - gibt es hier
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