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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Miniaturgebäude aus weißem Marmor - wohl ein Mausoleum, dachte ich. Mir kamen Zweifel, ob das cremefarbene Seidenkleid wirklich passend war, und ich berührte nervös mein Haar.
    Ich machte sie sofort unter den Leuten aus, die jetzt aus dem Haus und den Weg entlang eilten. Selbst wenn ich nicht gewußt hätte, wer sie war, hätte ich sie als MacKenzie erkannt. Sie hatte die prägnanten Knochen, die breiten Wikingerwangen und die hohe, glatte Stirn ihrer Brüder Colum und Dougal. Und genau wie ihr Neffe und wie ihre Großnichte war sie von jener außergewöhnlichen Größe, die sie alle als Abkömmlinge eines Geschlechts kennzeichnete.
    Einen Kopf größer als der Schwarm schwarzer Sklaven, der sie umgab, schwebte sie über den Pfad, der vom Haus wegführte. Eine Hand lag auf dem Arm ihres Butlers, obwohl ich selten eine Frau gesehen hatte, die der Hilfe weniger bedurfte.
    Sie war hochgewachsen und flink, und ihr sicherer Schritt stand im Widerspruch zu ihrem weißen Haar. Vermutlich hatte sie einmal genauso rote Haare wie Jamie gehabt. Sie hatten auch jetzt noch einen leichten Stich ins Rote, wo sie das volle, weiche Weiß der Rothaarigen angenommen hatten - wie die Patina eines alten goldenen Löffels.
    Einer der kleinen Jungen in der Vorhut rief etwas, und zwei von ihnen liefen vor und galoppierten über den Pfad zum Anlegeplatz, wo sie japsend wie Welpen im Kreis um uns herumsprangen. Zuerst verstand ich kein Wort - erst als Ian ihnen ausgelassen antwortete, wurde mir klar, daß sie auf Gälisch herumschrien.
    Ich wußte nicht, ob sich Jamie Gedanken darüber gemacht hatte, was er bei dieser ersten Begegnung sagen oder tun wollte, aber letztendlich trat er einfach vor, ging auf Jocasta MacKenzie zu, umarmte sie und sagte: »Tante Jocasta - ich bin’s, Jamie.«
    Erst als er sie losließ, sah ich sein Gesicht. Diesen Ausdruck - zwischen
brennendem Eifer, Glück und Respekt - hatte ich noch nie bei ihm gesehen. Mich durchfuhr ein kleiner Schreck, als mir klar wurde, daß Jocasta MacKenzie ihrer älteren Schwester sehr ähnlich sehen mußte - Jamies Mutter.
    Ich vermutete, daß sie seine dunkelblauen Augen hatte, konnte es aber nicht sagen, denn sie waren verschleiert. Sie lachte unter Tränen, hielt ihn am Ärmel fest und faßte an seine Wange, um ihm nicht vorhandene Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streichen.
    »Jamie!« sagte sie wieder und wieder. »Jamie, der kleine Jamie! Ah, ich bin froh, daß du da bist, Junge.« Sie hob noch einmal die Hand und berührte sein Haar. Erstaunen zeigte sich in ihrem Gesicht.
    »Heilige Jungfrau, er ist ja ein Riese! Du bist ja mindestens so groß, wie es mein Bruder Dougal war.«
    Der glückliche Ausdruck in seinem Gesicht verblaßte ein bißchen, doch das Lächeln blieb, als er sich gemeinsam mit ihr zu mir wandte.
    »Tante Jocasta, darf ich dir meine Frau vorstellen? Dies ist Claire.«
    Strahlend streckte sie sofort die Hand aus, und ich ergriff sie. Die langen, kräftigen Finger weckten schmerzliche Erinnerungen: Obwohl ihre Finger vom Alter etwas knorrig waren, war ihre Haut doch weich, und ihr Griff war Briannas verwirrend ähnlich.
    »Ich bin so froh, Euch kennenzulernen, meine Liebe«, sagte sie und zog mich an sich, um mich auf die Wange zu küssen. Ein starker Duft nach Minze und Verbenen schlug mir aus ihrem Kleid entgegen, und ich war seltsam bewegt, als hätte mich eine wohlwollende Gottheit plötzlich unter ihren Schutz gestellt.
    »Wie schön!« sagte sie bewundernd, während ihre langen Finger über den Ärmel meines Kleides strichen.
    »Danke«, sagte ich, dann traten Ian und Fergus vor, um ebenfalls vorgestellt zu werden. Sie begrüßte die beiden mit Umarmungen und freundlichen Worten und lachte, als Fergus ihr in bester Franzosenmanier die Hand küßte.
    »Kommt«, sagte sie, als sie sich schließlich zum Aufbruch wandte, und wischte sich mit der Hand über die feuchten Wangen. »Kommt ins Haus, meine Lieben, und trinkt eine Tasse Tee und nehmt etwas zu euch. Nach einer solchen Reise müßt ihr ja ausgehungert sein. Ulysses!« Sie wandte sich suchend um, und ihr Butler trat vor und verneigte sich tief.
    »Madame«, sagte er zu mir und »Sir« zu Jamie. »Es ist alles vorbereitet, Miss Jo«, sagte er leise zu seiner Herrin und bot ihr seinen Arm.
    Während sie sich auf den Rückweg machten, drehte sich Fergus zu Ian um und verbeugte sich, um die höfischen Umgangsformen des
Butlers nachzuahmen. Dann bot er Ian spöttisch den Arm. Ian trat ihn fest in den

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