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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Hand hoch. Er steckte mir den Ring an den Finger, das Metall noch warm von seiner Hand. Dann bog er meine Finger um, drückte meine Faust und hielt sie fest.
    »Ob er uns wohl seit Charleston gefolgt ist?« fragte ich mich laut.
    Jamie schüttelte den Kopf. Sein Haar war immer noch offen und fiel in üppigen Wellen nach vorn, die sein Gesicht verbargen.
    »Ich glaube nicht. Wenn er gewußt hätte, daß wir die Steine haben, hätte er uns auf der Straße aufgelauert, bevor wir nach Wilmington kamen. Nein, er wird es wohl von einem von Lillingtons Bediensteten erfahren haben. Ich hatte gedacht, wir wären einigermaßen sicher, weil wir in Cross Creek sein würden, bevor jemand von den Steinen erfährt. Aber irgend jemand hat geplaudert - ein Lakai, oder vielleicht die Schneiderin, die dein Kleid abgeändert hat.«
    Sein Gesicht war äußerlich ruhig, doch das war es immer, wenn er starke Gefühle verbarg. Ein plötzlicher Windstoß fuhr von der Seite über das Deck - der Regen war im Anmarsch. Der Wind peitschte Jamie die Haare übers Gesicht, und er strich die dichten Locken zurück.
    »Tut mir leid um deinen anderen Ring«, sagte er einen Augenblick später.
    »Oh. Es ist -« Ich hatte sagen wollen: »Es ist nicht so schlimm«, doch die Worte blieben mir im Hals stecken, erstickt von der plötzlichen Erkenntnis des Verlustes.
    Ich hatte diesen Goldring fast dreißig Jahre lang getragen, als Zeichen eines Versprechens, das ich gemacht, gebrochen, erneuert und von dem ich zuletzt losgesprochen worden war. Ein Zeichen meiner Ehe, meiner Familie, ein Zeichen, das für einen Großteil meines Lebens stand. Und die letzte Spur von Frank - den ich trotz allem geliebt hatte.
    Jamie sagte nichts, sondern nahm meine linke Hand in die seine, hielt sie fest und strich mir mit dem Daumen über die Fingerknöchel. Ich schwieg ebenfalls. Ich seufzte tief und drehte das Gesicht nach steuerbord. Die Bäume am Ufer zitterten erwartungsvoll im auffrischenden Wind, und ihre Blätter rauschten so laut, daß sie unser Schiff übertönten.
    Ein kleiner Tropfen traf meine Wange, doch ich bewegte mich nicht. Meine Hand lag regungslos und weiß in der seinen und sah ungewohnt zerbrechlich aus - es erschreckte mich, sie so zu sehen.

    Ich hatte meinen Händen schon immer große Aufmerksamkeit geschenkt. Sie waren meine Werkzeuge, meine Tastinstrumente, in ihnen verbanden sich die Sanftheit und die Kraft meiner Heilkunst. Sie waren von einer gewissen Schönheit, die ich auf eine distanzierte Weise bewunderte, doch es war die Schönheit der Kraft und der Kompetenz, die Gewißheit ihrer Stärke, die mir an ihnen gefiel.
    Die Hand war dieselbe, blaß, mit langen Fingern und knochigen Gelenken - seltsam nackt ohne den Ring, aber eindeutig meine Hand. Und doch lag sie in einer Hand, die so viel größer und rauher war, daß sie mir klein erschien und vergleichsweise zerbrechlich.
    Seine andere Hand drückte fester zu, preßte mir den Silberring in die Haut und erinnerte mich an das, was mir blieb. Ich hob seine Faust und drückte sie fest an mein Herz. Es begann zu regnen, in großen, nassen Tropfen, doch keiner von uns regte sich.
    Der Regen setzte urplötzlich ein, warf einen Schleier über Schiff und Ufer und gab uns für einen Augenblick die Illusion, verborgen zu sein. Er lief kühl und weich über meine Haut und linderte vorübergehend die Wunden der Furcht und des Verlustes.
    Ich fühlte mich furchtbar verletzlich und zugleich völlig sicher. Doch schließlich hatte ich mich in Jamie Frasers Nähe immer so gefühlt.

VIERTER TEIL
    River Run

10
    Jocasta
    Cross Creek, North Carolina, Juni 1767
    River Run lag am Ufer des Cape Fear, kurz hinter dem Zusammenfluß, nach dem Cross Creek benannt war. Cross Creek war recht groß, und ein belebter öffentlicher Kai und diverse große Lagerhäuser säumten das Ufer. Als die Sally Ann sich langsam durch die Fahrrinne arbeitete, hing ein starker, harziger Geruch über Stadt und Fluß, gefangen in der heißen, stickigen Luft.
    »Himmel, als würde man Terpentin einatmen«, keuchte Ian, als eine weitere Welle des betäubenden Geruches über uns hinwegzog.
    »Du atmest Terpentin ein, Mann.« Eutroclus’ Lächeln - ein seltener Anblick - blitzte weiß auf und verschwand wieder. Er deutete auf einen Schleppkahn, der an einem der Kais festgebunden war. Er war mit Fässern beladen, von denen manche eine dicke, schwarze Brühe durch undichte Nute ausschwitzten. Andere, größere Fässer trugen das Zeichen ihrer

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