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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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Manch ein verstohlener Blick traf Hagen, denn sie alle kannten die Gerüchte über Sigfrids Tod, aber keiner wagte, den Waffenmeister direkt anzusehen.
    Attalas erster Impuls war, den Skopen zu unterbrechen, doch dann sagte er sich, dass dies eine weit größere Beleidigung seiner Gäste darstellen würde, da er damit zugegeben hätte, dass auch er den Gerüchten Glauben schenkte. Voller Zorn ließ er den Sänger deshalb gewähren.
    Als Agilhard seine Geschichte nach einer quälend langen Zeit mit dem Bad im Drachenblut enden ließ, war die Spannung in der Großen Halle zum Schneiden. Jeder wusste, dass das Lied einen zweiten Teil besaß, der von Sigfrids Tod handelte, und indem er verschwiegen wurde, war er nur umso nachdrücklicher in den Köpfen der Zuhörer präsent.
    Grimhild lächelte. Sie hatte Agilhard viel Gold dafür gegeben, dass er Sigfrids Heldentaten pries. Jetzt nahm sie die kostbaren Nadeln, die ihre Frisur hielten, aus den Haaren und reichte sie ihm. »Dank sei dir dafür, dass du uns die Helden nicht vergessen lässt.«
    Hagen zog einen goldenen Armring vom Handgelenk und warf ihn dem Skopen zu. »Man soll nicht sagen, Hagen bliebe in seinen Gunstbeweisen hinter der Königin zurück«, sagte er, »auch wenn es würdigere Männer zu besingen gäbe.«
    Grimhild sprang auf. Attala packte ihren Arm, doch sie schüttelte ihn einfach ab. »Es überrascht mich nicht, dass ein Schwarzalbe die Größe eines Mannes wie Sigfrid nicht begreift.«
    Ein, zwei Hunen lachten. Die Niflungen murrten; wenn sie auch Hagen nicht gerade liebten, er war einer der Ihren, und eine Beleidigung des Waffenmeisters richtete sich gegen sie alle.
    Hagen erhob sich, die Hand auf dem Schwert, und wandte sich den Lachern zu. Die perthrō -Runen in seinen Handflächen kribbelten. Gunter stellte sich ihm in den Weg. »Hagen, mein Bruder«, sagte er so laut, dass alle es hören konnten, »kein aufrechter Krieger zweifelt an deinem Mut oder deiner Ehre.«
    Auch Attala hatte sich erhoben. »Die Aufregung, ihre Sippe wiederzusehen, hat meine Frau verwirrt. Sie bittet euch, ihre Entschuldigung anzunehmen.« Der Blick, mit dem er Grimhild ansah, ließ keinen Zweifel daran, dass er dies notfalls mit Gewalt erzwingen würde, und so schwieg sie. Der Hunenkönig wandte sich an die ganze Halle. »Ich wünsche, dass meine Gäste unterhalten werden. Sing uns ein Lied, Agilhard. Ein fröhliches!«
    Befreit atmeten die Krieger auf. Die Spannung wich und machte wieder einer Feststimmung Platz.
    Rodinger zog Eckewart beiseite. »Wir sollten zusehen, dass wir gleich morgen früh nach Bakalar aufbrechen.«
    Der Sachse nickte erleichtert. »Ich bin froh, dass du so denkst. Hass schlägt mir immer auf den Magen.«
    Grimhild starrte auf ihren Kelch. Sie stand allein gegen den verhassten Feind. Niemand kam ihr zu Hilfe. Dunkelheit ergriff wieder von ihr Besitz. Sie fühlte Sigfrids enttäuschte Blicke auf sich und drehte sich um. Anklagend beobachtete er sie aus dem Schatten einer Ecke, in jedem Arm eines ihrer gestorbenen Kinder. Demonstrativ drehte er sich um und zeigte ihr das faustgroße Loch zwischen seinen Schulterblättern, das zu bluten anfing. Schwarzer Eiter rann seine hürnene Haut hinab. Grimhilds Herz zog sich zu einem winzigen Punkt zusammen. Vergib mir , bat sie ihn stumm, ich habe alles versucht! Er schüttelte den Kopf, als wollte er sagen: Es ist nicht genug. Hast du das Versprechen vergessen, das du mir auf dem Scheiterhaufen gabst? »Ich werde einen Weg finden«, flüsterte sie. »Ich werde einen Weg finden.«

Der Apfelgarten
1
    Mit zärtlichem Gefühl beobachtete Grimhild ihren Sohn bei seinem Spiel mit Tierfiguren, Schiffen und Schneckenhäusern. Es lag Frieden darin, ihm einfach nur zuzusehen, ohne sich bemerkbar zu machen. Manchmal wünschte sie, Sigfrid wäre sein Vater gewesen, aber sie war Aldrian nicht weniger zugetan, da er nun einmal Attalas Sohn war. Wenigstens starb er ihr nicht unter den Händen wie ihre ersten Kinder! Und es war megin von ihrem megin , das da in ihm heranwuchs. Sie hatte die Seele ihres Vaters in den Augen des Neugeborenen erkannt. Eine Seele veränderte sich nicht. Es war sein kühner Blick, sein Stolz in dem Kind. Attala war zufrieden damit gewesen, seinen Sohn nach Grimhilds Vater zu benennen. Der Niflungenkönig hatte großes Heil besessen, es konnte Attalas Sippe nur nützlich sein, dieses Heil in sich aufzunehmen.
    Ihr Atem verriet sie. Aldrian drehte sich um. Lächelnd trat Grimhild aus dem Schatten

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