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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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ich ihn zum Kampf«, sagte er.
    »Danke!«, erwiderte sie mit einer Wärme, die ihn trunken machte. »Du bist der Einzige, der sich nicht weigert, mich zu rächen.«
    »Du hättest mich als Ersten fragen sollen«, sagte er vieldeutig.
     
    Da die Große Halle nicht genug Platz bot und das Wetter mild war, hatte Attala die Festtafel nach draußen verlegt. Mitten in Susat befand sich der Apfelgarten, eine Wiese mit Bäumen und Hecken, in denen Schlehen, Weißdorn und Brombeeren wuchsen. Es roch nach Thymian und Fenchel. Der Garten war ummauert wie eine Feste, eine zwei Mann hohe Steinwand umschloss das Gelände. Der einzige Eingang bestand aus einem Tor auf der Ostseite. In diesem Garten waren Tische und Bänke aufgestellt worden, an denen Hunen, Friesen und Niflungen tafelten.
    Inmitten der Kriegerschar saß Hagen, gereizt, weil er Grimhild nirgends entdecken konnte. So lange er sie sah, hatte er die Situation unter Kontrolle. Ihre Abwesenheit beunruhigte ihn. Was plante sie? Was tat sie gerade jetzt, in diesem Augenblick? Dass sie den Versuch, seinen Untergang herbeizuführen, nicht aufgeben würde, war eine Tatsache, an die er sich halten konnte.
    Scheinbar gemächlich erhob er sich, band sein Wolfsfell fester und schlenderte zu einer Gruppe Niflungen, die sich mit einem Spiel wurfzabel die Zeit vertrieben. Zwischen den Männern hockte er sich nieder. »Ich traue dem Frieden nicht«, sagte er leise. »Mein hugi sagt mir, dass Grimhild etwas im Schilde führt. In diesem Garten sitzen wir wie die Maus in der Falle, wenn es zum Kampf kommt. Geht hinaus und mischt euch unter die Hunen, versucht in Erfahrung zu bringen, ob uns Gefahr droht.«
    Die Männer waren nicht begeistert über den Auftrag, zumal sie der Ansicht waren, wenn einer etwas zu fürchten hätte, dann der Waffenmeister. Aber der Hinweis auf die Mausefalle war berechtigt, also erhoben sie sich, als wollten sie sich die Beine vertreten, und verließen den Garten durch das Tor.
    Hagen setzte sich wieder an den Tisch, doch es kostete ihn große Selbstbeherrschung, ruhig zu bleiben. Manchmal war es ein Fluch, mit dem Instinkt und den scharfen Ohren der Schwarzalben geboren zu sein. Seit ihrer Ankunft spürte er die beleidigenden Blicke in seinem Rücken und vernahm das Flüstern seines Namens durch den Lärm der Feiernden hindurch. Und wenn er herumschnellte, erhaschte er in der Regel einen Blick auf Hunen oder Friesen, die sich hastig abwandten und Schutzrunen in die Luft schlugen zur Abwehr des Bösen. Keinen treueren Gefolgsmann gab es als ihn, in jeder Schlacht war er der Erste, und doch war das alles nicht genug, um sich Respekt zu verschaffen. Es würde nie genug sein. Seine dunkle Abstammung würde immer zwischen ihm und den anderen stehen. Er hatte es so satt. Er hatte ihre Neugierde und ihre Furcht satt, die Vermutungen und Lügen. Er hatte es satt, nie als Hagen betrachtet zu werden, sondern immer nur als Halbalbe. Sein Körper war so angespannt, dass er glaubte, jeden Augenblick die Muskeln reißen zu fühlen. Es fehlte nur noch ein Tropfen, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Er wünschte, Gunter würde endlich den Befehl zur Heimreise geben, oder   – bei Wodan!   – es mochte gut sein, dass er einen der Schwätzer zur Hel schickte!
    »Mit welchem Recht sitzt ein Neiding wie Ihr bei uns am Tisch?«, rief eine schrille Stimme hinter ihm. »Geht heim in die finsteren Abgründe, aus denen Ihr kommt, ehrloser Schwarzalbe, oder fahrt zur Hel!«
    Hagen fuhr herum. Speichel traf ihn im Gesicht, jemand hob eine blitzende Klinge. Gedankenschnell zog der Waffenmeister sein Schwert, holte aus   – es ist ein Kind! ein Kind!   –, und ehe er seinem Arm Einhalt gebieten konnte, hatte er Aldrian schon den Kopf abgeschlagen. Im Bruchteil eines Atemzuges war die Tat ausgeführt. Blut spritzte nach allen Seiten, der Rumpf des Jungen stürzte zu Boden. Hagen taumelte zwei Schritte zurück. Die Stimme! Hatte er nicht gehört, dass es die Stimme eines Kindes war, die ihn beschimpfte? Hatte er nicht das Gesicht erkannt? Er hatte   – aber sein Zorn und sein Arm waren schneller gewesen. Blut tropfte aus den Schicksalsrunen in seinen Händen.
    Der Schwertstreich, der Aldrians Kopf vom Rumpf trennte, war für Attala wie ein Stoß in sein eigenes Herz. Ein, zwei Atemzüge lang hörte es auf zu schlagen. Nach dem Verlust von Ercha und seinen ersten beiden Söhnen hatte er geglaubt, der Schmerz sei durch nichts zu übertreffen. Aber seinen jüngsten Sohn, die

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