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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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stellte er seine Frau zur Rede. »Wie konntest du mir solchen Schimpf antun und meine Gäste auf meinem eigenen Grund und Boden beleidigen?«
    »Man kann einen Neiding nicht beleidigen.«
    Ein Blick in Grimhilds Augen belehrte ihn, dass sie keinerlei Argumenten zugänglich war. Er sehnte sich plötzlich wieder nach der sanftmütigen Ercha, deren freundliches Wesen ihm so oft Frieden geschenkt hatte. Er liebte Grimhild und wünschte nichts mehr, als sie von dem Wahn, der ihr Leben vergällte, zu heilen. Doch niemals wollte ihr Herz ihm zulachen, so sehr er sich um sie bemühte, immer war da ein Schatten auf ihrer Seele. »Grimhild«, sagte er sanfter, »gib Ruhe, bis deine Sippe fort ist! Vergeh dich nicht an der Gastfreundschaft!«
    »Mein Herz wird erst Ruhe finden, wenn Hagen der Blutrache zum Opfer gefallen ist.« Mit wildem Blick packte sie den Arm ihres Mannes. »Töte ihn für mich! Räche Sigfrid!«
    Entsetzt stieß Attala sie von sich. »Ich soll meine Gäste unter meinem eigenen Dach meucheln? Besitzt du keine Ehre?«
    »Hass ist alles, was ich noch besitze. Mögen die, die mir alles andere nahmen, mit mir untergehen.«
2
    Grimhild hatte sich Zeit genommen, um in ganzer Pracht auf dem Willkommensfest zu erscheinen. Sie trug ein scharlachrotes Leinengewand und einen goldenen Halsring. Lippen und Augen waren sorgfältig gefärbt und ihr frisch gebleichtes Haar zu einer kunstvollen Frisur geflochten. Sie hatte Farbe und Schmuck angelegt wie eine Brünne, als zöge sie in die Schlacht.
    Rodinger war von Attala eingeladen worden, am Fest teilzunehmen, was insbesondere Eckewart freute, denn so kam er in den Genuss von Rindsbraten und Bohnen, gebratener Gans und Maronen, Kuchen und Früchten.
    Auch Ansgar begeisterte sich für die Genüsse, die der Tisch zu bieten hatte, allerdings mehr für die flüssigen. Das Bier schmeckte kräftiger und bitterer als bei den Rheinfranken und war im ersten Moment ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber er lernte es schnell schätzen und ließ sich sein stechal wieder und wieder füllen.
    Neben dem Hunenkönig saß sein fünfjähriger Sohn und beäugte neugierig die fremden Männer. Noch nie hatte er so viele kühne Krieger in der Burg seines Vaters gesehen. Besonders der Einäugige faszinierte ihn; immer wieder kehrten seine Blicke zu ihm zurück.
    Aldrian war ein hübscher Knabe, blond, wie seine Mutter, allerdings in goldenerem Ton. Er vereinigte Grimhilds grüne Augen mit Attalas scharfen Zügen. Es war unübersehbar, wie stolz der Hunenkönig auf seinen Sohn war und welche Hoffnung er in ihn setzte. »Mein hugi sagt mir, dass er ein großer König wird«, erklärte er Gunter, und seine Augen leuchteten dabei.
    Agilhard ergriff seine harpa und bereitete sich auf einen Vortrag vor. Ansgar stieß Volker in die Seite. »Endlich hören wir mal einen richtigen Sänger!«, grinste er. Zum Aufwärmen schmetterte der Skop ein paar Schlachtenlieder, die die Stimmung in der Halle hoben.
    Gunter lauschte ihm aufmerksam und warf einen Blick zu Volker hinüber, der ebenfalls gefesselt schien. Es war faszinierend, die Kunst der beiden Skopen zu vergleichen. Beide besaßen wortmegin , und doch nahm es bei jedem von ihnen eine andere Ausprägung an. Volker ritzte seine Verse wie ein Runenmeister; sie waren voll dunkler Andeutungen und rätselhafter Magie. Sein Gesang weckte Gefühle, die nicht zu greifen waren, Gefühle, die im Verborgenen lagen. Die einzelnen Worte waren bedeutungslos, es war die Art, wie sie sich zu einem gewaltigen Ganzen verdichteten, die einen ergriff. Agilhard dagegen schmiedete seine Verse. Wie ein Schmied auf den Amboss schlägt, so hämmerte er seine Worte in die richtige Form, voll Feuer und hart wie Stahl. Das kraftvolle Bild, die ausdrucksvoll betonte Silbe berührte einen unmittelbar und wühlte die Zuhörer auf. Jedes Wort war ein Hieb.
    An der Art, mit der Agilhard die harpa anschlug, erkannten die Gäste, dass der Skop zu einem Heldenlied anhob.
     
»Von einem Untier
im Svawenwalde
will ich erzählen.
Männer und Weiber
zum Opfer fielen
dem garstigen Wurm.
Unheil und Leid
herrschte im Lande,
und keiner wagte
was Sigfrid getan,
der strahlende Held,
Sigmunds Sohn.
     
Heil, edler Sigfrid,
helläugiger Recke!
Fortan gedenken
wird man der Tat.
So lange die Welt steht
wird niemals vergessen
dein kühner Name.«
     
    Es dauerte einen Augenblick, ehe die Gäste begriffen, welches Lied Agilhard vortrug, doch dann senkte sich tödliches Schweigen über die Menge.

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