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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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das Schwert beschrieb.
    Ein Keuchen nahe seinem linken Ohr warnte ihn, er griff zu. Seine Hand streifte etwas Raues. Urplötzlich stand ein Schwarzalbe vor ihm, das Messer gezückt. Verblüfft starrte Sigfrid auf seine Hand, die einen unscheinbaren nebelgrauen Umhang hielt, dünn wie ein Schleier und dennoch fest. Der Schwarzalbe war vor Überraschung und Furcht wie gelähmt. Ehe er entwischen konnte, setzte Sigfrid ihm Balmung an den Hals. Erschrecktes Wispern und Tuscheln erfüllte die Luft. Der Tarlunge spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Es mussten mindestens fünfzig sein! Unmöglich, sie alle in ihren Tarnkappen zu überwältigen! »Befehlt Eurer Sippe, sich zu zeigen, sonst ist es um Euch geschehen!«, rief er.
    »Tötet mich.«, erwiderte der Albe.
    »Genau das werde ich tun.« Mit einer Hand packte Sigfrid den Hals seines Gefangenen und ritzte ihn mit der Schneide Balmungs. Töte ihn! , schrie der Ring. Es kostete Sigfrid alle Kraft, die Stimme niederzuzwingen.
    Der Albe allerdings schien zu glauben, sein letzter Augenblick sei gekommen, denn er wimmerte entsetzt: »Wartet! Ich mache Euch reich, unermesslich reich!«
    »Ich glaube Euch kein Wort.« Balmung beschrieb eine blutige Zeichnung auf dem Körper des Schwarzalben.
    »Es ist die Wahrheit!«, kreischte der. »Das Stille Volk besitzt einen Hort von unermesslichem Reichtum. Er gehört Euch, wenn Ihr mich freigebt.«
    »Und wer bürgt mir dafür, dass das stimmt?«
    »Ich gebe Euch mein Wort!«
    »Ich glaube nicht, dass es Eurem König gefällt, wie leichtfertig Ihr seinen Schatz verschenkt.«
    »Ich bin der König«, sagte der Albe, um Würde bemüht. »Alberich, König des Stillen Volkes.«
    Verblüfft starrte Sigfrid ihn an. Dies war der legendäre Albenfürst? Angeblich sollte er weit über fünfhundert Jahre alt sein   … aber, nun ja, bei einem Schwarzalben war das Schätzen des Alters unmöglich. Immerhin strahlte er wirklich so etwas wie Autorität aus. Sein laubfarbener Mantel war schmucklos und selbst sein Gürtel, obzwar von Silber, eher schlicht, aber dafür trug er eine goldene Kette um seinen kurzen Hals, an deren Ende sich ein funkelnder Edelstein befand. Vielleicht war er tatsächlich der König. Sigfrid wusste nicht viel über das Stille Volk, aber es hieß, dass ein Albe nie ein gegebenes Wort brach. »Also schön.« Der Tarlunge zog die Klinge seines Schwertes ein Stück zurück, blieb aber auf der Hut. »Ich will die anderen sehen.«
    Alberich fing an, in einer fremden Sprache zu sprechen. Sigfrid verstand kein Wort davon, aber die Laute, klangen alt, sehr alt. Ein unheimliches Gefühl befiel den Sachsen, als entsinne sich ein Teil seiner selbst an Worte vom Anbeginn der Schöpfung, an die Zeit, da die Götter auf Midgard wandelten und der Mensch noch nicht erschaffen war. Die Alte Sprache kam aus einer Zeit, in der ein Gegenstand und das Wort, das ihn bezeichnete, noch ein und dasselbe waren. Sie benannte die Dinge, wie sie waren, ehe sie ihrer Magie beraubt wurden. Einiges hatte Sigfrid über die Alte Sprache gehört. Zum Beispiel, dass »Baum« dasselbe Wort war wie »Dryade«. Einen Baum ohne Seele gab es nicht, also gab es auch kein Wort dafür.
    Eine Gestalt nach der anderen schälte sich aus dem Nichts, jede von ihnen hielt einen Umhang in den Händen. Zugleich drang die Sonne durch den grauen Schleier, der Bodennebel fing an, sich aufzulösen. Die Schwarzalben blinzelten, ihre Lider verengten sich zu schmalen Schlitzen. An das Dunkel von Höhlen gewöhnt, blendete sie das grelle Licht.
    Schlagartig begriff Sigfrid. »Ist es das, was die Tarnkappen tun? Eine Nebelwand werfen?«
    »Wir nennen sie Nebelkappen«, gab Alberich zu. Es behagte ihm nicht, einen Menschen in die Geheimnisse seiner Sippe einweihen zu müssen. »Sie sind mit luftmegin gewoben.«
    Sigfrid betrachtete den Umhang in seiner Hand mit neuem Respekt. »Sie wird mir manch guten Dienst leisten«, dachte er laut.
    Erschrocken sahen sich die Schwarzalben an, und Alberich machte eine Bewegung, als wolle er ihm die Tarnkappe entreißen. »Sie ist nicht für Menschen gemacht.«
    »Diese schon. Denn sie gehört jetzt mir.«
    Versuchsweise warf er sich den Umhang über seinen Kopf. Der Nebel schien wieder dichter zu werden. Dicke Fäden aus Dunst schlängelten sich zwischen seine Füße und wanden sich an ihm empor. Dennoch konnte er die Schwarzalben in aller Klarheit sehen. Welche Macht lag in diesem Umhang! Man konnte sich zurückziehen, wenn man allein sein

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