Der Ruf Der Walkueren
verstecken. Mit kräftigen Stößen arbeitete sie sich zum anderen Ende des Beckens vor. Erst dort tauchte sie auf und schwamm langsam zu ihrer Rivalin zurück. Als sie die Niflunge erreichte, hatte sie sich wieder in der Gewalt. »Ich muss zugeben, dass ich die Thermen schätzen gelernt habe«, sagte sie leichthin.
Grimhild ging auf ihren Tonfall ein. »Das verstehe ich gut. Ich wünschte, in König Sigmunds Burg gäbe es etwas Vergleichbares.«
»Nun, man kann nicht alles haben.«
Die Worte der Sächsin waren scharf wie eine Schwertklinge. Irgendwie tat sie Grimhild leid. Sie wollte etwas Versöhnliches sagen, etwas, das die Verbitterung ihrer Rivalin besänftigte. »Du scheinst eine gute Königin zu sein. Die Leute sprechen respektvoll von dir.«
»Ich tue, was getan werden muss.«
Grimhild dagegen hatte kein Talent dafür, Unfreie zu beaufsichtigen und sich um das Anlegen von Vorräten zu kümmern. Nein, auf der Ebene kam sie gegen die Sächsin nicht an. Grimhild schluckte und sagte nichts mehr.
»Ist er dir ein guter Mann?«, wollte die Svawenkönigin wissen.
»Er ist wundervoll. Stark. Fröhlich. Ungestüm.« Aufmerksam? Nein, aufmerksam nicht, dazu fehlte ihm das Gespür für Zwischentöne , doch das ging Brünhild nichts an. Er war eben ein geradliniger Mann, der die Dinge nahm, wie sie sich ihm zeigten, und nicht unter der Oberfläche nach verborgenen Ursachen wühlte. Aber sie liebte ihn darum nicht weniger. Schließlich war seine Geradlinigkeit auch ein Quell der Freude. Vor allem, wenn er sie mit Küssen überhäufte. Sie lächelte.
Brünhild empfand eine Art abartiger Freude daran, alles über Sigfrids Ehe in Erfahrung zu bringen. Es war wie ein befallener Zahn, den man trotz der Schmerzen immer wieder berührte. Das zufriedene Lächeln der Fränkin versetzte sie in Rage. »Und du bist ihm eine gute Frau?«
»Natürlich.«
»Natürlich! Was macht dich so sicher? Vielleicht ist er in Wahrheit todunglücklich mit dir? Weißt du wirklich, was er braucht? Was er fühlt, was ihm durch den Kopf geht? Ich wette, du hast nicht den leisesten Schimmer. Ich wette, er ist dir noch immer fremd. Ich wette, du musst alle Tricks anwenden, die du kennst, um ihn zu halten.«
Grimhild rang nach Luft. Brünhilds Worte rührten an ihren verborgensten Ängsten. Was bewirkte Thiotas Trank wirklich? Liebe? Oder Sklaverei? War das Leben, dass sie sich so mühsam erobert hatte, nur Trug und Schein? »Warum sagst du so etwas?«, flüsterte sie erstickt.
»Weil es die Wahrheit ist. Ich sehe doch, wie du dich an ihn klammerst und ihn keinen Moment aus den Augen lässt. Weil du genau weißt, in dem Augenblick, wo du ihn loslässt, läuft er dir davon. Nein, du bist nicht die Frau, die er braucht.«
»Bosheit und Neid sprechen aus dir. Aber dein Unglück hast du dir einzig und allein selbst zuzuschreiben. Alle behandeln dich mit Achtung, doch du verbreitest nichts als Kälte. Ich weiß, wie sehr mein Bruder dich liebt; es stünde dir gut an, ihm wenigstens Dankbarkeit entgegenzubringen, statt deine schamlosen Augen auf andere Männer zu richten. Ich habe gesehen, wie du deinen Mann behandelst, du herzloses Weib! Kein Wunder, dass man dich Walküre nennt!«
»Du hast es nötig, mir Untreue vorzuwerfen! Ich sah, wie du bei deiner Ankunft um jeden Krieger buhltest, der dich begrüßen kam.«
Grimhild wurde blass. »Ich … ich habe mich gefreut, meine Sippe wiederzusehen.«
»Du hast dich jedem Mann regelrecht in den Arm gedrängt«, sagte Brünhild zornig. Niemand hatte ihr auch nur einen Blick geschenkt, seit die Niflunge zurück war. Grimhild hier, Grimhild dort, alle überschlugen sich vor Verlangen, ihr gefällig zu sein.
»Wenn eine von uns eine Kebse ist, dann doch wohl du.« Nicht! Sag es nicht! »Du bist es, die in ihrer Brautnacht zwei Männer empfangen hat!« So war es nicht! Sigfrid hatte ihr doch alles erklärt. Hatte er? Alles?
»Was schwatzt du da?«
»Es war Sigfrid, der in jener Nacht, da du Gunter empfingst, das Lager als Erster mit dir teilte.«
»Du lügst!«, keuchte Brünhild entsetzt.
Grimhild sprang aus dem Becken, dass die Tropfen von ihrem nackten Körper spritzten, und stürzte zu ihrem Beutel. »Und woher habe ich wohl dies hier?«, schrie sie mit überschnappender Stimme und schleuderte ihrer Rivalin den Armring vor die Füße.
Brünhild wurde kreideweiß. »Er hat dir meinen Ring gegeben …« Ihre Stimme brach. Warum? Warum?
6
Aufgewühlt lief Brünhild in ihr Gemach, ohne sich
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