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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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ruhelos machte. Ihre schwarzen Haare flossen stromlinienförmig hinter ihr her wie ein Fisch, der sie verfolgte.
    Grimhild beobachtete den Körper der Sächsin durch die halbgeschlossenen Lider. Brünhild war zweifelsohne schön, schlank, makellos gewachsen und auf herbe Weise anziehend. Sie strahlte die Art instinkthafter Leidenschaft aus, die manchen Männern gefiel. Aber wenn man genau hinsah, konnte man bereits die ersten Falten entdecken. Und es waren wahrlich keine Lachfalten. Ein verdrossener Zug lag um ihren Mund und würde ihr bald die Anziehungskraft nehmen. Beruhigt schloss die Niflunge wieder die Augen und ließ sich von den sanften Bewegungen des Wassers einlullen.
    Brünhild ließ sich außer Atem neben ihrer Rivalin nieder und musterte sie kritisch. Grimhild war voll und weiblich geworden, von einer trägen Sinnlichkeit. Ohne Zweifel warfen Männer ihr begehrliche Blicke zu. Aber die ersten Anzeichen von Fülligkeit waren nicht zu übersehen. Die Fränkin bekam zunehmend etwas Plumpes , dachte Brünhild befriedigt. Doch wieder war da ein Warum, hartnäckig wie ein Wurm, der sich durchs Holz bohrte. Warum zog Sigfrid sie ihr vor?
    Eine Weile schwiegen die Frauen, jede in ihre eigenen Gedanken verstrickt. Grimhild war es, die als Erste die unangenehme Stille durchbrach. »Hugbald lässt dich vielmals grüßen und hofft, dass es dir gut geht. Er war kürzlich bei König Sigmund, um einen Vertrag mit ihm auszuhandeln. Er ist sehr tüchtig.«
    Brünhild nickte. Eckewart hatte ihr bereits ausführlich berichtet. Er war es auch, der ihr erzählte, dass Hugbald Radegunde zur Frau genommen hatte. Brünhild hatte ungläubig gelacht. Die warme, mütterliche Radegunde und der nüchterne, grimmige Hugbald? Doch warum nicht? Er war ein guter Mann, Radegunde eine tüchtige Frau. Es waren vielleicht nicht die Bande der Liebe, die sie aneinander fesselten, und vielleicht würden sie nicht gerade die Wonnen der Ekstase miteinander erleben. Aber Achtung und Vertrauen mochten eine ebenso gute Grundlage für eine Ehe sein, möglicherweise beständiger. Wenn sie ihr eigenes Leben betrachtete, empfand sie sogar so etwas wie Neid.
    Radegunde schickte ihr ein paar Dinge, die sie bei ihrem überstürzten Aufbruch vergessen hatte, Dinge, an denen ihr Herz hing. Sie hatte vergangene Nacht eine Weile darüber geweint und sie anschließend verbrannt. Radegunde hätte sie dafür getadelt. »Du bist so hart gegen dich selbst!«, pflegte sie manchmal zu sagen. Aber was für einen Sinn machte es, an die Vergangenheit erinnert zu werden? Die Vergangenheit hatte sie betrogen. Das Heil hatte sie verlassen. Alle hatten sie verlassen, allen voran ihre Eltern, die ohne ein Wort des Abschieds gegangen waren. Auch Sigfrid wollte sich an sie nicht mehr erinnern. Ganz offensichtlich war sie nicht in der Lage, irgendjemanden zu halten. Brünhild unternahm eine Anstrengung, um die Tränen hinter ihren Augen zu vertreiben. »Fiel es dir leicht, dich bei den Sachsen einzuleben?«
    »Die Wahrheit ist, ich habe mich noch immer nicht an alles gewöhnt. Aber Sigfrids Sippe ist gut zu mir. König Sigmund schätzt mich über alle Maßen.«
    Ich wette, du hast ihn sofort um den kleinen Finger gewickelt , dachte Brünhild. »Und seine Frau?«
    Grimhild wiegte den Kopf hin und her. Sigmunds Frau war schweigsamer als ihre eigene Mutter. Sie war nicht der Mensch, dem man seine Sorgen anvertraute, aber darum nicht weniger herzlich. »Ich habe sie gern«, sagte sie und lachte. »Ich glaube, mein fränkischer Akzent bereitet ihr Schwierigkeiten.«
    Brünhild hätte gern ein besseres Verhältnis zur Mutter ihres Mannes gehabt. Zwischen ihr und Oda herrschte ein unausgesprochener Waffenstillstand: Oda mischte sich nicht ein, und Brünhild tat dafür, was nötig war, um alle Welt davon zu überzeugen, dass zwischen ihr und Gunter alles in Ordnung sei. Irgendwie mochte sie die alte Frau und ihre praktische Art. Aber so lange sie ihrem Sohn nichts als Kälte entgegenbrachte, konnte es zwischen ihnen wohl keine Nähe geben.
    »Ich hörte   …« Grimhild zögerte. »Ich hörte, du hast auch ein Kind verloren?«
    Brünhild vereiste. »Und du gleich zwei«, antwortete sie bitter. Sigfrids Kinder! Warum? Warum? Warum?
    »Es war sicher schrecklich für dich. Ich weiß, wie du dich gefühlt hast.«
    »Woher willst du das wissen?« Brünhild tauchte unter, gleichermaßen um einer Erwiderung zu entkommen wie um ihre Tränen unter Abertausenden von Wassertropfen zu

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