Der Ruf Der Walkueren
über eine private Sorge reden wollte, dass es um Gunter oder das Niflungenreich ging. Aber was, um alles in der Welt, interessierte sie seine Ehe mit Grimhild? »Nun … ich liebe sie.«
»Und was ist mit den Schwüren, die du mir gegeben hast?«
»Dir? Ich … aber … ich habe dir keine Schwüre gegeben.«
Brünhild wich vor ihm zurück. Ihr Gesicht war kalkweiß. »Du leugnest, dass du mir versprochen hast, mich zum Weib zu nehmen? Du leugnest, dass du mir Treue schworst und um mich freien wolltest, sobald du ein Krieger geworden wärest?«
»Ich bitte dich, frūa : Lass ab von diesen Reden!«
Ihre Farbe wechselte von Weiß zu Rot. »Vermutlich willst du dich auch nicht mehr daran erinnern, dass du mir beigelegen hast?«
Schockiert trat er einen Schritt zurück. In seinem Kopf drehte sich alles. Wie konnte sie von ihm behaupten, er habe seine und ihre Ehre so vergessen, ihr Schimpf anzutun? Ihr Geist musste sich verwirrt haben. Der Zorn, der in ihm aufgeflackert war, wich Mitleid. »Du solltest vermeiden, so zu reden, frūa ! Wenn man dich hört, könnte man dich für eine … für … nun, deine Rede ist einer Königin unwürdig.«
»Ich verstehe.« Ja, endlich verstand sie! Endlich verstand auch ihr Herz, was ihr Verstand die ganze Zeit gewusst hatte. Die Wahrheit war immer ernüchternd. »Es gefiel dir, mit mir zu tun, was dir angenehm war, darum gabst du mir Schwüre, die du nie vorhattest zu halten. Wie musst du gelacht haben über das dumme Mädchen, das auf deine leeren Worte hereinfiel!«
Hilflos knetete er seine Hände. »Denk einmal in Ruhe darüber nach, frūa , dann wirst du erkennen, dass du dich irrst.«
Seine beschwichtigenden Worte fachten ihren Zorn erst richtig an. »Dann muss ich wohl geträumt haben, als ich dich in mir spürte. Und du warst nicht gerade zimperlich!« Er setzte zu einer Entgegnung an, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Wie kannst du es wagen, mich so zu quälen?«
Ihr Anblick rief etwas in ihm wach. Ihre Haltung, aufgerichtet und ganz Zorn, beschwor eine Erinnerung herauf, die knapp außerhalb seines Bewusstseins auf ihn wartete, ohne dass er sie zu fassen bekam. Er wusste nur, dass es eine glückliche Erinnerung war. Und das war absurd. Wie konnte Zorn eine glückliche Erinnerung heraufbeschwören? Ich werde mich deiner würdig erweisen. Warum kamen ihm diese Worte in den Sinn? Schimmernde braune Augen, der Geruch von Kiefernharz. Aus irgendeinem Grund überfiel ihn plötzlich das Verlangen, sie in seine Arme zu nehmen und festzuhalten, so fest er konnte. Dieses Gefühl erschreckte ihn mehr als alles andere.
Brünhild wünschte, er würde aufhören, sie mit dieser beleidigenden Nachsicht zu behandeln, und endlich mit ihr streiten wie früher. Sollte er sie anschreien, sie beschimpfen, ihr zu beweisen suchen, wie sehr sie im Unrecht war, alles, nur nicht diese unschuldige Verständnislosigkeit, die jeden ihrer Angriffe ins Leere laufen ließ und ihr die Kräfte aussaugte. Brünhild hasste ihn, aber mehr noch hasste sie sich selbst, weil sie sich immer noch, immer noch nach ihm sehnte und sich quälte in einer sinnlosen, dummen, verzweifelten Hoffnung auf ein Wunder. Sie hatte gedacht, ohne eine Erklärung von ihm sein zu müssen, sei unerträglich, aber dies hier, sein hartnäckiges Leugnen, dass jemals geschehen war, was ihr als Einziges im Leben etwas bedeutete, das war Folter. Es ließ sie an ihrer eigenen Wahrnehmung zweifeln. »Ich bitte dich – nein, ich flehe dich an, bei allem, was dir heilig ist: Sag mir, dass du mich hintergangen hast! Sag mir, dass du einfach deine Lust an mir gestillt hast! Sei der stolze Krieger, den ich in dir sah, und gesteh es jetzt und hier ein, und ich werde dich niemals wieder behelligen! Aber – bitte! – hör auf abzustreiten, dass es geschah!«
Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, sie in ihrem offenkundigen Schmerz zu trösten, und dem Bewusstsein, dass er ihren Wahn nicht fördern durfte, ließ er die Schultern sinken. »Du irrst dich, frūa , es ist niemals geschehen«, sagte er. Und indem er es aussprach war ihm, als habe er sich selbst verdammt.
Ihre Hoffnungen, die sie die Jahre hindurch aufrecht gehalten hatten, zerbrachen wie eine Tonscherbe. Sigfrid gab sie den Wölfen preis. Er hatte den naiven Glauben des Mädchens, das sie einst gewesen war, ausgenutzt, und jetzt verhöhnte er sie für ihre Einfalt. Das Blut wich aus ihrem Gesicht. »Geh jetzt!«, sagte sie tonlos, ohne ihn
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