Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
Shorts. Seine Beine mit den vorstehenden Knien wirkten wie knorrige Baumstämme. Seine Glatze hatte er unter einer ölverschmierten Dodgers-Kappe versteckt, die Augen verdeckte eine getönte Sonnenbrille.
Tate stellte fest, dass er wie ein übergewichtiger, schlecht gekleideter Gartenzwerg aussah, was sie aus einem unerfindlichen Grund sympathisch fand. »Ich passe auf Ihren Neffen auf, Buck.«
Er musste lachen. Es klang wie Schotter, der auf Stein aufschlägt. »Tu das, mein Mädchen. Und gute Jagd.«
Tate nickte, vollzog eine vorbildliche Rolle von der Reling und tauchte unter. Wie es sich für einen verantwortungsbewussten Partner gehört, wartete sie auf Matthew. Sobald sie ihn im Wasser sah, wendete sie und ging tiefer.
Fliederfarbene Fächer wehten in der Strömung. Durch die Eindringlinge aufgescheuchte Fische schwammen in einem bunten Schwarm voller Leben eilig weg. Wenn Tate mit ihrem Vater unterwegs gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich angehalten, um den Augenblick zu genießen, die immer wieder aufs Neue faszinierende Verwandlung von einem Lebewesen der Luft in ein Geschöpf des Meeres.
Vielleicht hätte sie sich die Zeit genommen, ein paar hübsche Muscheln für ihre Mutter zu sammeln oder sich so lange still zu verhalten, bis ein Fisch herbeiglitt, um die Ankömmlinge genauer zu inspizieren.
Da Matthew jedoch den Abstand zwischen ihnen verringerte, waren es weniger die Wunder der Unterwasserwelt, die sie vereinnahmten, als vielmehr ein heftiger Ehrgeiz. Mal sehen, ob er mithalten kann, dachte sie, bewegte sich schneller und schwamm in westlicher Richtung. Das Wasser wurde mit zunehmender Tiefe merklich kühler, blieb jedoch angenehm.
Schade, bedauerte Tate, dass wir so weit von den interessanteren Riffs und Korallengärten entfernt sind. Aber selbst hier fand sich genug, was die Sinne erfreute. Das Wasser selbst, die schwingenden Fächer, ein leuchtender Fisch.
Tate achtete auf Unebenheiten oder Verfärbungen im Sand. Sie wollte verdammt sein, wenn sie etwas übersah oder er noch einmal als Sieger auftauchte.
Sie griff nach einem abgebrochenen Stück Koralle, untersuchte es und warf es wieder fort. Matthew schwamm an ihr vorbei und übernahm die Führung. Obwohl Tate wusste, dass es sich bei diesem Manöver um einen ganz normalen Vorgang beim Tauchen handelte, ärgerte sie sich so lange, bis sie wieder vorausschwimmen konnte.
Sie kommunizierten nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Obwohl sie vereinbart hatten, sich zu verteilen, behielten sie einander im Auge. Sowohl aus Misstrauen als auch zur Sicherheit, vermutete Tate.
Eine Stunde lang durchkämmten sie das Gebiet, in dem sie das Schwert gefunden hatten. Tates ursprüngliche Vorfreude begann sich zu verflüchtigen, da sie nichts weiter entdeckten. Einmal fächerte sie Sand beiseite und bemerkte ein Glitzern, sodass ihr Herz bereits einen Hüpfer tat. Ihre Vision von einer alten Schuhschnalle oder einem Teller schwand jedoch schnell, als sie eine eindeutig aus dem zwanzigsten Jahrhundert stammende Coladose freilegte.
Enttäuscht schwamm Tate weiter nach Norden. Plötzlich lag ein riesiger Unterwassergarten mit bunt gemusterten Muscheln und Korallen vor ihnen, zwischen denen Kaiserfische flink hin und her schwammen. Kompliziert verästelte Korallen, zu zerbrechlich, um in dem Wellengang flacherer Gewässer zu überleben, wuchsen in die Höhe und breiteten sich rot, smaragdgrün und senfgelb aus. Sie boten Dutzenden von Lebewesen, die sich zwischen ihnen versteckt hielten, sich von ihnen ernährten oder sie mit Nahrung versorgten, ein Zuhause.
Wie ein Kind im Spielzeugladen, dachte Matthew, während er Tate beobachtete. Sie hielt ihre Position mit langsamen Bewegungen, und ihre Augen bewegten sich rasch hin und her, um alles auf einmal aufzunehmen.
Zu gern hätte er ihre Begeisterung als albern abgetan, aber er liebte dieses Unterwasserschauspiel selbst. Um sie herum spielten sich sowohl Dramen als auch Komödien ab – man musste nur die sonnengelben Lippfische ansehen, die den anspruchsvollen Drückerfisch eifrig und hingebungsvoll wie Zofen säuberten. Dann wieder schoss plötzlich schnell und tödlich eine Muräne aus ihrer Höhle hervor und schloss ihre Kiefer um einen ahnungslosen Zackenbarsch.
Tate schreckte jedoch vor dem plötzlichen Angriff nicht zurück, sondern sah interessiert zu. Außerdem musste Matthew zugeben, dass sie eine gute Taucherin war, ausdauernd, erfahren und vernünftig. Die Zusammenarbeit mit ihm mochte
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