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Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)

Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Tagebuch und das Amulett.«
    »Warum erzählst du mir das alles, Matthew? Warum sprichst du über Erinnerungen, die so schmerzhaft für dich sind und doch nicht mehr geändert werden können?«
    »Weil ich weiß, dass du nicht hier bleiben würdest, nur weil ich dich darum bitte.«
    Sie zog ihre Hand zurück. »Lieber appellierst du an mein Mitgefühl.«
    »Ich liefere dir Hintergrundinformationen. Wissenschaftler arbeiten doch mit Hintergrundinformationen, Fakten und Theorien, oder? Du glaubst nicht, dass wir die Isabella finden werden.« Er sah ihr abschätzend in die Augen. »Und du glaubst auch nicht, dass wir das Amulett entdecken. Sollten wir darauf stoßen, ist es für dich nichts weiter als ein interessantes, wertvolles antikes Schmuckstück.«
    »In Ordnung, du hast Recht. Nichts von dem, was du mir bisher erzählt hast, könnte mich vom Gegenteil überzeugen. Ich verstehe, warum du daran glauben musst, aber das ändert nichts an den Tatsachen.«
    »Nur suchen wir keine Tatsachen, Tate.« Matthew öffnete das Kästchen und reichte ihr einige kopierte Blätter, die mit einer eng gekritzelten, flüchtigen Schrift beschrieben waren. »Ich glaube nicht, dass du das vergessen hast. Solltest du es
vergessen haben, frischt dies hier vielleicht dein Gedächtnis wieder auf.«
    9. Oktober 1553
    Wenn der Morgen kommt, werden sie mich töten. Mir bleibt nur noch eine letzte Nacht auf dieser Welt, und ich muss sie allein verbringen. Sogar meine treue Colette hat man mir genommen. Obwohl sie beim Abschied geweint hat, ist es besser so. Nicht einmal ihre Gebete, so rein und selbstlos sie auch sein mögen, können mir jetzt noch helfen. In dieser Zelle hätte Colette nur sinnlos gelitten, während ich auf den Sonnenaufgang warte. Gesellschaft – längst habe ich gelernt, ohne sie zu leben. Seit Etiennes Tod vor sechs langen Wochen habe ich nicht nur meinen teuersten Gefährten, meine Liebe, mein Glück verloren, sondern auch meinen Beschützer.
    Sie sagen, ich hätte ihn vergiftet, ihn gezwungen, mein Hexengebräu zu trinken. Was sind sie doch für Narren! Mein Leben hätte ich für ihn gegeben. Und nun gebe ich es tatsächlich. Seine Krankheit saß zu tief und war stärker als meine Heilkräfte. Fieber und Schmerzen wüteten schnell und erbarmungslos, kein Heiltrank, kein Gebet konnte seinen Tod aufhalten. Als seine Frau wurde ich verurteilt. Ich, die ich Krankheiten und Leid unter den Dorfbewohnern lindern half, werde als Mörderin und als Hexe hingerichtet. Die, deren Fieber ich kuriert habe, deren Schmerzen ich stillte, haben sich gegen mich gewendet, verlangen nun laut schreiend meinen Tod, wie wilde Tiere, die den Mond anheulen.
    Ihr Anführer ist der Graf, Etiennes Vater, der mich hasst und mich begehrt. Sieht er von seinem Fenster im Schloss aus zu, wie sie den Scheiterhaufen aufschichten, der mein Sterbebett werden soll? Sicher steht er dort mit seinen gierig glänzenden Augen, die dürren, lüsternen Finger zum Gebet verkrampft. Wenn ich morgen auf dem
Scheiterhaufen sterben muss, wird er im ewigen Feuer leiden. Ein geringer, aber beruhigender Trost.
    Wenn ich ihm nachgegeben, wenn ich meine Liebe nach Etiennes Tod verraten und das Bett mit seinem Vater geteilt hätte, vielleicht würde ich dann am Leben bleiben. So hat er es versprochen. Doch lieber habe ich die Qualen dieses verfluchten christlichen Gerichts auf mich genommen, als auf sein Anerbieten einzugehen.
    Ich höre meine Wärter lachen. Sie sind trunken vor Vorfreude auf den morgigen Tag, doch wenn sie in meine Zelle kommen, lachen sie nicht. Dann sind ihre Augen weit vor Angst, während sie mit den Fingern das Zeichen zum Schutz gegen die Hexe formen. Diese Narren, sie glauben tatsächlich, dass diese kleine, jämmerliche Geste die wahren Mächte aufhalten könnte!
    Sie haben mir das Haar geschoren. Etienne nannte es sein Engelsfeuer, wenn er mit seinen Fingern hindurchfuhr. Es war mein Stolz, und selbst den haben sie mir genommen. Mein Fleisch fault auf meinen Knochen, gezeichnet von der endlosen Folter. Für diese eine Nacht lassen sie mich in Ruhe. Und das ist ihr Fehler.
    Denn so schwach mein Körper auch sein mag, mein Herz wird immer stärker. Schon bald werde ich bei Etienne sein, und das tröstet mich. Ich weine nicht mehr bei dem Gedanken daran, dass ich bald eine Welt verlassen soll, die grausam ist und die den Namen Gottes für Folter, Verdammnis und Mord missbraucht. Ich werde die Flammen sehen, und ich schwöre bei Etiennes Seele, dass

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