Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
Funken von Eifersucht machte sich bei Matthew bemerkbar. »Hattest du was mit diesem Hayden?«
»Er ist ein Kollege«, brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ein Freund. Er erzählte mir, dass mein Name schon auf der Mitarbeiterliste stand, bevor sie auf seinem Schreibtisch landete.«
»Und?«
»Jetzt benutz doch mal deinen Verstand, Lassiter! Warum sollte jemand so etwas tun? Ich wollte wissen, warum und vor allem wer, und ich habe es herausgefunden. VanDyke hat mich ausgesucht. Damals machte er mir nicht den Eindruck eines Mannes, der etwas vergisst. Wie viele Tate Beaumonts mit einem Magister in Meeresarchäologie gibt es wohl?«
Weil auf einmal alles zusammenpasste, fühlte Matthew sich ziemlich idiotisch. »Vermutlich nur eine.«
»Stimmt.« Sie lehnte sich an die Reling. »Er muss gewusst haben, wer ich bin«, sagte sie leise. »Und er wollte, dass ich auf der Nomad arbeite. Ob du mir glaubst oder nicht, ich hatte bereits gekündigt, bevor mein Vater anrief.«
Er seufzte und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. »Ich glaube dir. Vielleicht war es falsch von mir, aber ich war stinksauer bei dem Gedanken, dass du deinem Renommee zuliebe für ihn arbeiten könntest.« Der schnelle, kühle Blick, den sie ihm über die Schulter zuwarf, trieb ihm das Blut ins Gesicht. »Entschuldige, ich hätte es besser wissen sollen.«
»Allerdings.« Jetzt war es an ihr, zu seufzen. Warum hätte er mir vertrauen sollen? fragte sie sich. Sie kannten einander nicht mehr. »Was soll’s. Jedenfalls bin ich froh, dass wir diesen Punkt geklärt haben. Ich habe mir selbst schon Gedanken
darüber gemacht und fühle mich überhaupt nicht wohl bei der Vorstellung, dass er mich benutzt hat. Noch weniger gefällt mir allerdings die Erkenntnis, dass er mich all die Jahre beobachtet hat.«
Das war ein Umstand, den Matthew noch gar nicht in Betracht gezogen hatte, und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr dämpften die jüngsten Informationen seine Eifersucht. Er packte Tate an den Armen und zog sie näher an sich heran. »Hat er je mit dir Kontakt aufgenommen?«
»Nein.« Um nicht die Balance zu verlieren, stützte Tate sich mit beiden Händen an Matthews Brust ab. Schwere, warme Regentropfen fielen auf sie nieder. »Seit dem Tag, an dem er drohte, uns erschießen zu lassen, habe ich ihn nie wiedergesehen. Aber offensichtlich hat er mich beobachtet. Meine erste Expedition nach dem Studium ging im Auftrag von Poseidon ins Rote Meer. Für Poseidon«, wiederholte sie. »Und jetzt muss ich mich wohl fragen, mit wie vielen meiner Projekte er zu tun hatte. Wie viele Türen hat er für mich aufgestoßen, und warum?«
»Der Grund dafür ist simpel. Er hat dein Potential erkannt und will es nutzen.« Matthew sah den Ausdruck auf ihrem Gesicht und schüttelte sie sanft. »VanDyke hätte keine einzige Tür für dich geöffnet, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass du es auch allein geschafft hättest. Dieser Mann tut anderen keinen Gefallen, Rotschopf. Du bist so erfolgreich, weil du klug bist und deine Ziele entschlossen verfolgt hast.«
»Vielleicht. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er hinter den Kulissen die Fäden gezogen hat.«
»Nein, da hast du wohl Recht.« Matthew lockerte seinen Griff. Er hatte nicht vergessen, dass er sie festhielt. Es kam ihm in den Sinn, dass sie vielleicht genug abgelenkt war, um sich nicht zu wehren, wenn er sie jetzt an sich zog. Stattdessen strich er einmal über ihre Arme und ließ sie dann los. »Außerdem ist da noch ein anderer Punkt.«
»Und der wäre?« Tate unterdrückte ein Schaudern. Diese kleine, unbewusste Geste war ihr so vertraut …
»Wenn er wusste, dass du an Bord der Nomad warst, weiß er auch, dass du dort nicht mehr bist. Inzwischen ist ihm garantiert bekannt, dass wir uns wieder zusammengetan haben und wo unser Ziel liegt.«
Auf einmal war ihr eiskalt. »Und was wollen wir dagegen unternehmen?«
»Wir werden ihn überlisten.«
»Wie das?« Sie wandte sich ab und hielt sich mit beiden Händen an der feuchten Reling fest. »Er hat die Mittel, die Kontakte, das Geld.« Und er würde, so wurde ihr schlagartig klar, sie benutzen, um an Matthew heranzukommen. »Unsere einzige Hoffnung besteht darin, ihn auf eine falsche Fährte zu locken. Wenn ich zum Beispiel zurück auf die Nomad gehe oder sonst wohin, verfolgt er vielleicht meine Spur. Ich könnte sogar Gerüchte ausstreuen, dass du meine Eltern auf eine aussichtslose Jagd nach Anguilla
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