Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
die Stelle mit einer Boje markiert – Südost, dreißig Grad. Himmel, ich glaube, sie ist es.«
Tate atmete tief ein. »Ich will meine Flaschen, Matthew.« Ihre Augen glitzerten, als sie sich ihm zuwandte. »Glaub nur nicht, dass du mich jetzt noch davon abhalten kannst, runterzugehen.«
Neuntes Kapitel
E s gab verschiedene Möglichkeiten, die Position eines Wracks so zu markieren, dass man später die Fundstelle wiederfand. Zu den gebräuchlichsten Methoden zählten Messungen mit einem Sextanten von drei Fixpunkten aus, Kompasspeilungen in Abständen von neun Grad oder ganz einfach die Orientierung an weiter entfernten Objekten. Matthew hatte alle drei Methoden angewandt.
Buck hatte eine einfache Bojenmarkierung gesetzt, aber Matthew war sich der Nachteile dieses Vorgehens bewusst. Eine Boje konnte sinken, abtreiben, oder, was in diesem Fall entscheidend war, eine Boje konnte weithin von neugierigen Augen gesichtet werden. Um der Geheimhaltung willen zeichnete er also die Kompasspeilungen auf, bestimmte den Mount Nevis in der Ferne als Anhaltspunkt und bat Buck, die Boje weit weg von der geschätzten Position des Wracks zu Wasser zu lassen.
»Die Boje liegt auf einer Linie mit der Baumgruppe dort hinten auf der Insel«, erklärte er Ray und reichte ihm das Fernglas, damit sein Partner die Position identifizieren konnte.
Sie standen auf dem Deck der New Adventur e, Matthew in seiner Ausrüstung, Ray in einer Baumwollhose und mit einer getönten Brille. Er war bereits mit seinem Kompass beschäftigt und vermerkte die Position des Schiffes in seinen täglichen Aufzeichnungen.
»Hier werden wir nicht ankern.« Matthew ließ seinen Blick über das Meer schweifen und bemerkte einen Katamaran, der offenbar Touristen auf einem Schnorchelausflug von
Nevis nach Saint Kitts beförderte. Die munteren Klänge einer Band auf Deck drangen über das Wasser. »Wir bleiben hinter der Linie zwischen Boje und Mount Nevis in Richtung Ufer.«
Während Ray nickte und die Markierungen notierte, fuhr Matthew fort: »Tate soll Zeichnungen vom Meeresboden anfertigen, an denen wir uns später orientieren können.«
Ray hängte sich das Fernglas um den Hals und betrachtete Matthews entschlossenes Gesicht. »Du denkst an VanDyke?«
»Verdammt richtig. So kann er wenigstens nicht geradewegs zum Wrack heruntertauchen, falls er von dieser Sache Wind bekommt. Er kennt die Entfernungen und Orientierungspunkte nicht, er weiß ja noch nicht einmal, ob wir von der Boje aus gesehen in Richtung Land oder Meer tauchen. Damit ergeben sich für ihn verschiedene Möglichkeiten, die er erst einzeln erkunden müsste.«
»Und wir gewinnen Zeit«, stimmte Ray zu. »Wenn das hier nicht die Isabella ist –«
»Das werden wir bald wissen«, unterbrach Matthew ihn. An Spekulationen war er nicht interessiert, er wollte Gewissheit. »Auf jeden Fall treffen wir die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen.« Er zog seine Flossen an. »Komm schon, Rotschopf, los geht’s.«
»Ich muss meine Kamera noch aufladen.«
»Vergiss die Kamera. Wir lassen keine Filme entwickeln.«
»Aber –«
»Überleg doch mal, da braucht doch nur ein Laborangestellter zu plaudern! Du kannst so viele Fotos machen, wie du willst, aber die Filme werden erst entwickelt, wenn wir hier fertig sind. Hast du die Tafel und den Graphitstift?«
»Ja.« Sie nahm eine lässig-professionelle Pose ein und klopfte auf ihre Tasche.
»Dann komm.«
Bevor sie auch nur ihre Maske richtig aufgesetzt hatte, war er schon unter Wasser. »Ein wenig ungeduldig, wie?« Ihr Lächeln verriet ihren Eltern ihre Nervosität. »Drückt uns die Daumen«, rief sie ihnen zu und sprang hinter ihm her.
Tate folgte den aufsteigenden Luftblasen nach unten. Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie zehn Meter und dann fünfzehn Meter tief war. Sie betrachtete die Landschaft auf dem Meeresboden und erinnerte sich daran, dass ihre Aufgabe darin bestand, jedes Büschel Seegras und jede Korallenformation sorgfältig festzuhalten.
Mit ihrem Graphitstift zeichnete sie alles genau im richtigen Verhältnis auf, markierte die Entfernungen in Grad und unterdrückte den Impuls, die Zeichnung künstlerisch zu vervollständigen. In der Wissenschaft sind präzise Angaben gefragt, machte sie sich bewusst, während sie den Tanz zweier Engelbarsche beobachtete.
Dann bemerkte sie, dass Matthew ein Signal gab, und wunderte sich über die Unterbrechung. Immerhin erforderten genaue Zeichnungen Zeit und Sorgfalt, und da er es gewesen war, der auf
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