Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
des sanft schaukelnden Bootes betrachtete sie die Sterne und den silbernen Mond. Es war nach Mitternacht. Die Erklärungen, die erstaunten Ausrufe, das Festmahl und die feierlichen Trinksprüche waren vorbei.
Sie hatte ihren Ehemann bei den anderen zurückgelassen, damit er in aller Ruhe die Schätze bewundern und sie den Augenblick ungestört mit ihrer früheren Mitbewohnerin genießen konnte.
»Das Ende ist das Beste.« Tate genoss es, diesmal den anderen die Arbeit zu überlassen, und ließ sich mit ihrem letzten Glas Champagner Zeit.
»Ich weiß nicht … Schließlich ist Mord, Gier, Lust, Opferbereitschaft, Leidenschaft, Sex—«
»Na gut, vielleicht war der Sex das Beste.«
Kichernd versuchte Lorraine, der Flasche noch ein paar Tropfen abzuringen. »Die Hexerei habe ich ausgelassen. Glaubst du, dass Angelique Maunoir wirklich eine Hexe war?«
»Und das aus dem Munde einer Wissenschaftlerin.« Tate seufzte. »Ich glaube, sie war stark und mächtig, und Liebe ist bekanntlich die stärkste Magie.«
»Vielleicht solltest du dir darüber Gedanken machen, dass sich dieses wundersame Amulett jetzt in eurem Besitz befindet.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass Angelique damit einverstanden ist, dass sie uns und unsere Pläne für ihr Amulett
gutheißt. Wir werden ihre Geschichte erzählen. Und wo wir gerade von Geschichten sprechen …« Großzügig teilte Tate den Inhalt ihres Glases mit Lorraine. »Wie war das eigentlich mit dir und Hayden?«
»Vielleicht nicht ganz so legendär, aber ich bin zufrieden.« Mit gespitzten Lippen hielt Lorraine ihre Hand hoch, um ihren im Sternenlicht funkelnden Ehering zu betrachten. »Auch wenn ich für Hayden nur zweite Wahl war.«
»Sei nicht albern.«
»Vielleicht übertreibe ich. Weißt du, als wir noch zusammenarbeiteten, habe ich dich nie ganz verstanden. Hayden verfolgte jede deiner Bewegungen mit seinen wunderschönen, treuen Augen, und du hast seine Gefühle gar nicht registriert. Nachdem ich Matthew nun kennen gelernt habe, wird mir natürlich einiges klar.« Sie seufzte verträumt. »Versteh mich bitte nicht falsch, aber ich war richtiggehend erleichtert, als du die Nomad verlassen musstest. Lorraine, sagte ich mir, das ist deine große Chance.« Sie fuchtelte mit ihrem Glas herum und hätte dabei fast ihren Champagner verschüttet. »An die Arbeit.«
»Offensichtlich hast du keine Zeit verloren.«
»Ich liebe ihn eben. Ich schwöre dir, Tate, bei ihm kam ich mir wie ein tollpatschiger Welpe vor, der um Leckerbissen bettelt. Ich hatte meine Männer immer unter Kontrolle, weißt du? Bei Hayden war das ganz anders. Schließlich musste ich meinen letzten Rest Stolz schlucken. Ich drängte ihn buchstäblich in die Ecke, als er im Labor Überstunden machte, und verführte ihn.«
»Im Labor?«
»Du hast es erfasst. Vorher hatte ich schon ein paar halbherzige Anläufe unternommen, um ihn überhaupt auf mich aufmerksam zu machen. Ich erklärte ihm, dass ich ihn liebte und ich mich an seine Fersen heften würde, wohin er auch ginge. Er betrachtete mich ernst und sagte dann, unter diesen Umständen sei es wohl am besten, wenn wir heirateten.«
»Das hat er gesagt?«
»Hat er.« Angesichts ihrer Erinnerungen musste Lorraine seufzen. »Dann lächelte er. Und ich habe wie ein Baby geheult.« Lorraine schniefte und nippte an ihrem Champagner. »Wenn ich nicht aufpasse, muss ich schon wieder weinen.«
»Bloß nicht, sonst kommen mir auch noch die Tränen. Diesmal haben wir beide Glück gehabt.«
»Es hat praktisch mein ganzes Leben gedauert, bis ich endlich Glück hatte. Scheiße.« Schulterzuckend trank sie noch einen Schluck. »Ich bin gerade betrunken genug, um es zuzugeben. Dreiundvierzig Jahre. Eine Meereswissenschaftlerin mittleren Alters, die zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt ist. Verdammt, jetzt muss ich doch noch flennen.«
»Okay.« Tate schluckte. »Schaffst du es, in ein paar Tagen als Trauzeugin zu fungieren?«
»Klar.« Lorraines Tränen tropften in ihr leeres Glas. Als Hayden und Matthew an Deck kamen, blickte sie mit wässrigen Augen auf.
»Was geht hier vor?«, wollte Hayden wissen.
»Wir sind betrunken und glücklich«, verkündete Lorraine. »Und verliebt.«
»Das ist schön.« Hayden tätschelte ihren Kopf. »Hoffentlich hast du etwas gegen deinen Kater morgen früh dabei. Wir haben einen langen Tag vor uns.«
»Er ist so …« Lorraine stand auf, schwankte bedenklich und lehnte sich gegen ihren Mann. »… so organisiert. Ich bekomme
Weitere Kostenlose Bücher