Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
analysieren.
Ihr Name würde bekannt sein, und ihre Funde – angefangen bei Dublonen bis hin zu eisernen Bolzen – würden Beachtung finden.
Und am Ende würde ein Museum voller alter Kunstgegenstände entstehen, das den Namen der Beaumonts trug.
Hin und wieder ertappte sie sich während der Arbeit dabei, dass sie hinter Matthews Tempo zurückblieb, weil sie
eine Pause eingelegt hatte, um über einer zerbrochenen Tasse zu träumen. Was hatte sich darin befunden, als das letzte Mal aus ihr getrunken wurde?
Als sie ihren Finger an einer scharfen Kante verletzte, blieb sie gelassen. Die dünne Blutspur wurde sofort vom Wasser weggewaschen.
Matthew gab ihr durch die Sandwolke hindurch ein Signal. In dem etwa dreißig Zentimeter tiefen Loch erkannte sie zwei wie Schwerter gekreuzte eiserne Spieße. Zwischen ihren kalkverkrusteten Spitzen klemmte eine Platte aus Zinn.
Auch die vierzig Fuß Wasser über ihr konnten Tate nicht davon abhalten, ihrer Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Sie nahm Matthews Hand und drückte sie fest, dann warf sie ihm eine Kusshand zu. Entschlossen nahm sie die Kamera von ihrem Gürtel und dokumentierte den Fund. Aufzeichnungen, das wusste sie, waren die Grundlage einer jeden wissenschaftlichen Entdeckung. Gern hätte sie weitere Zeit damit verbracht, das Gebilde genauer zu untersuchen und es wie ein Amateur zu bestaunen, aber Matthew machte bereits Anstalten, das nächste Loch zu graben.
Immer wieder stießen sie auf neue Funde. Jedes Mal, wenn sie den Sauger verlagerten, legten sie eine neue Entdeckung frei. Ein Klumpen Löffel, von Korallen zusammengehalten, eine Schale, von der zwar etwa ein Drittel fehlte, die jedoch trotzdem Tates Herz Purzelbäume schlagen ließ.
Zeit und Müdigkeit existierten nicht. Ein Publikum mit Tausenden von Augenpaaren beobachtete ihre Fortschritte, kleine Fische durchsuchten die freigelegten Bereiche nach Würmern. Sobald einer von ihnen fündig geworden war, eilten Dutzende seiner Artgenossen herbei, um in einem bunten Schwarm nach Futter zu suchen.
Der Barrakuda behielt seinen gewohnten Abstand bei und grinste ihnen wohlwollend zu.
Matthew geht wie ein Künstler mit dem Sauger um, dachte Tate. Erst stocherte er an einer Stelle, dann schien er
sanft ein Sandkorn nach dem anderen zu entfernen. Mit einer Wendung des Schlauchs trieb er Schlammwolken beiseite. Sobald er im Sand ein Objekt entdeckte, schaltete er das Gerät ab und arbeitete vorsichtig mit der Hand weiter, um jeglichen Schaden zu vermeiden.
Plötzlich entdeckte sie ein zerbrechliches Stück Porzellan, eine mit zarten, sich um den Rand windenden Rosenknospen verzierte Schale.
Ihre Augen weiteten sich vor Staunen und leuchteten auf. Am liebsten hätte Matthew sie ihr sofort gegeben, um ihr Gesicht dabei beobachten zu können, wie sie das Fundstück genau untersuchte, aber er bremste Tate und machte sich an den mühseligen und zeitraubenden Prozess, die Schale vom Sand zu befreien. Als er es geschafft hatte, überließ er ihr den Schlauch, griff unter das Porzellanteil und löste es von der Koralle, die es festhielt.
Es kostete ihn ein paar Hautfetzen, aber als er Tate das zarte Stück zeigte, vergaß er sämtliche Wunden und Kratzer. Ihre Augen strahlten, dann wurden sie plötzlich feucht, und sie starrten einander an. Matthew fühlte sich leicht aus der Fassung gebracht, nahm ihr den Schlauch ab und zeigte mit dem Daumen nach oben. Er schloss das Ventil des Saugers, der einen letzten Wirbel von Luftblasen ausstieß. Gemeinsam schwammen sie hoch.
Tate sprach nicht, brachte kein Wort heraus. Dankbar, dass sie durch das Sauggerät und ihren letzten Eimer Steinklumpen behindert waren, erreichten sie die Adventure . Tates Vater strahlte ihnen über die Reling entgegen.
»Ihr habt uns eine ganze Menge Arbeit mitgebracht.« Er hob die Stimme, um den Kompressor zu übertönen, und stöhnte erleichtert auf, als Buck ihn endlich abschaltete. »Wir haben Dutzende von interessanten Sachen, Tate.« Er zog den Eimer, den sie ihm entgegenhielt, an Bord. »Löffel, Gabeln, Behälter, Kupfermünzen, Knöpfe …« Er verstummte, als sie ihm die Schale zeigte.
»Mein Gott … Porzellan. Unbeschädigt. Marla!« Seine Stimme klang brüchig. »Marla, komm her und schau dir das an.«
Ehrfürchtig nahm Ray seiner Tochter den empfindlichen Fund ab. Als sie und Matthew endlich an Bord waren, hielt Marla, umgeben von Schutt und Trümmern, die geblümte Schale bereits in der Hand. Neben ihr lag die
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