Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
eintauchte, langsam, schwerelos, bis er sich ganz in ihr verloren hatte. Sie schien ihn zu umfangen mit ihrem einzigartigen Aroma, dem Geruch und dem Geschmack, die er überall erkannt hätte.
Noch nie hatte er eine Frau kennen gelernt, die ihn mit einem einzigen, sanften Kuss in ein zitterndes, bebendes Etwas verwandeln konnte. Er sehnte sich mit einer Dringlichkeit nach ihr, die ihn selbst erschreckte.
Als sie sich mit verträumten Augen und leicht geöffneten Lippen von ihm löste, wusste er, dass sie von seiner Sehnsucht, seiner Verzweiflung und seiner Furcht keine Ahnung hatte.
»Was ist los?« Tate legte eine Hand an seine Wange. »Du wirkst so ernst.«
»Nichts.« Reiß dich zusammen, Lassiter. Sie ist noch
längst nicht bereit für das, was du im Sinn hast. Mühsam rang er sich ein Lächeln ab. »Ich habe nur gerade gedacht, dass es zu schade ist.«
»Was ist zu schade?«
»Dass ich dich wohl aus dem Weg räumen muss, wenn Buck Ray erledigt hat.«
»Oh.« Bereitwillig ließ sie sich auf das Spiel ein und legte den Kopf auf die Seite. »Und wie stellst du dir das im Einzelnen vor?«
»Ich dachte mir, ich erwürge dich einfach.« Er legte seine Hand um ihren Hals. »Dann werfe ich dich über Bord. Marla behalten wir und ketten sie an den Herd, schließlich brauchen harte Männer auch etwas auf die Gabel.«
»Das habt ihr euch ja fein ausgedacht. Allerdings funktioniert dein Plan nur, wenn ich dich nicht zuerst erwische.« Sie zog die Augenbrauen hoch und kitzelte ihn zwischen den Rippen.
Unter hilflosem Gelächter gaben seine Knie nach. Er versuchte, sich zu wehren, aber Tate suchte das Weite. Als er endlich wieder Luft bekam, hatte sie sich schon auf der Steuerbordseite des Deckshauses versteckt.
»Du willst es also auf die harte Tour?« Er rannte nach Backbord, um ihr den Weg abzuschneiden, und hatte sie schon fast erreicht, als er den Eimer in ihrer Hand sah. Bevor er ausweichen konnte, hatte sie ihm eine Ladung kaltes Seewasser über den Kopf gegossen.
Während er sich prustend schüttelte, hielt sie sich vor Lachen die Seiten. Matthew rieb sich das beißende Wasser aus den Augen und ging zum Angriff über. Laut kreischend flüchtete Tate, beging allerdings den fatalen Fehler, unterwegs den Eimer fallen zu lassen.
Marla kam gerade aus dem Deckshaus, wo sie Münzen gesäubert hatte, und stieß mit Tate zusammen.
»Um Gottes willen! Ist ein Krieg ausgebrochen?«
»Mom!« Taumelnd vor Lachen, duckte Tate sich hinter
ihre Mutter, weil Matthew bereits um die Ecke gerannt kam, bewaffnet mit dem frisch gefüllten Eimer.
Er bremste ab. »Geh lieber zur Seite, Marla, sonst kann ich für nichts garantieren.«
Keuchend legte Tate ihre Arme um die Taille ihrer Mutter. »Sie geht nirgendwohin.«
»Aber Kinder.« Marla tätschelte Tates Hand. »Benehmt euch.«
»Sie hat angefangen«, behauptete Matthew. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Es war Jahre her, seit er sich so frei und unbeschwert gefühlt hatte. »Komm schon, du Feigling. Halt deine Mutter aus der Sache raus und nimm es wie ein Mann.«
»Auf gar keinen Fall.« Gelassen lugte Tate hinter ihrer Mutter hervor. »Du hast schon verloren, Lassiter. Niemals würdest du es wagen, meiner Mutter eine kalte Dusche zu verpassen.«
Er kniff die Augen zusammen und starrte stirnrunzelnd auf den Eimer. Als er wieder aufblickte, blinzelte Tate unschuldig mit den Wimpern. »Tut mir leid, Marla«, rief er und leerte den Eimer über den beiden Frauen.
Kreischende Stimmen verfolgten ihn, als er zur Reling lief, um Nachschub zu holen.
Ein unfairer Kampf nahm seinen Lauf. Da Marla sich mit unerwarteter Begeisterung an der Schlacht beteiligte, fühlte Matthew sich in der Minderheit und ausgetrickst.
Schließlich tat er das Nächstliegende und sprang über Bord.
»Guter Treffer, Mom«, brachte Tate heraus, bevor sie erschöpft an der Reling zusammensackte.
»Nun«, Marla strich sich mit einer Hand durch ihr zerzaustes Haar, »ich habe nur getan, was ich tun musste.« Irgendwann während der Kampfhandlungen hatte sie ihren Hut eingebüßt, und ihre frisch gebügelte Bluse und die Shorts klebten ihr triefnass am Körper. Dennoch war sie
ganz die höfliche Südstaatlerin, als sie über die Reling ins Wasser lugte. »Gibst du auf, Yankee?«
»Jawohl, Ma’am. Ich weiß, wann ich verloren habe.«
»Dann darfst du wieder an Bord kommen. Ich wollte uns gerade ein paar Shrimps in Bierteig zubereiten, als ich so unsanft unterbrochen wurde.«
Matthew
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